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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Buchenwald

In einem Inter­view ant­wor­te­te der Stif­tungs­di­rek­tor der Gedenk­stät­ten Buchen­wald und Mit­tel­bau Dora, Jens-Chri­sti­an Wag­ner, auf die Fra­ge, ob das Wis­sen über den Holo­caust nach­las­se: »Rei­nes Fak­ten­wis­sen ist kein histo­ri­sches Ler­nen. Nur, weil ich Jah­res­zah­len und Tötungs­me­cha­nis­men ken­ne, habe ich noch kei­ne geschicht­li­che Urteils­kraft. Geschichts­be­wusst­sein bedeu­tet, Fak­ten­wis­sen anwen­den zu kön­nen und sich der histo­ri­schen Ver­ant­wor­tung bewusst zu sein. Die­se Anwen­dung fällt bei vie­len heu­te lei­der weg.«

Gera­de in den Tagen nach der vor­ge­zo­ge­nen Wahl zum Deut­schen Bun­des­tag erhält die­se Aus­sa­ge ange­sichts der Ergeb­nis­se nicht uner­heb­li­che Bedeu­tung. Viel­fäl­tig sind die Bemü­hun­gen, das histo­ri­sche Ler­nen zu beför­dern. Das kann jedoch nicht allei­ni­ge Auf­ga­be der Gedenk­stät­ten sein, son­dern muss als Auf­trag an die Zivil­ge­sell­schaft ver­stan­den und gelebt wer­den. Einen bemer­kens­wer­ten Bei­trag in die­sem Sinn lei­stet Ulrich Schnei­der, Histo­ri­ker und Gene­ral­se­kre­tär der Fédé­ra­ti­on Inter­na­tio­na­le Rési­stants (Föde­ra­ti­on der Inter­na­tio­na­len Wider­stands­kämp­fer, FIR), mit einer soeben im Ver­lag Papy­Ros­sa erschie­ne­nen Publi­ka­ti­on »Buchen­wald«. Das hand­li­che Buch aus der Rei­he Basis­wis­sen gehört zu einer Viel­zahl von Ver­öf­fent­li­chun­gen zum The­ma Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Buchen­wald. Es ist inso­fern eine Beson­der­heit, als es in kon­zen­trier­ter Form einen anwend­ba­ren Über­blick zur Geschich­te des Lagers ver­mit­telt, ohne den Anspruch zu erhe­ben, alle The­men­be­rei­che zu erfas­sen. Mit acht Kapi­teln und einer kur­zen Chro­nik zum KZ Buchen­wald kann das Buch für die Vor­be­rei­tung von Besu­chen in der Gedenk­stät­te unter­stüt­zend ange­wen­det wer­den. Die Aus­wahl von Lite­ra­tur­hin­wei­sen ermög­licht wei­ter­füh­ren­de Beschäf­ti­gung und Erkennt­nis­ge­winn. Indem Schnei­der den lang­jäh­ri­gen Prä­si­den­ten des Inter­na­tio­na­len Komi­tees Buchen­wald-Dora und Kom­man­dos (IKBD), Pierre Durand (1923-2002), zitiert, dass es vie­le Buchen­walds auf dem Etters­berg gege­ben hät­te, ver­weist er auf die Not­wen­dig­keit dif­fe­ren­zier­ter Sicht auf die Häftlingsgesellschaft.

»Im Kol­lek­tiv der Über­le­ben­den ent­wickel­ten sich in den Jah­ren der Befrei­ung trag­fä­hi­ge Ein­schät­zun­gen, auch wenn die Bereit­schaft, sich mit schwie­ri­gen The­men öffent­lich zu beschäf­ti­gen ange­sichts des Ost-West-Kon­flikts und geschichts­po­li­ti­scher Kon­tro­ver­sen nur ein­ge­schränkt vor­han­den war.« Schnei­der ver­weist auf nicht uner­heb­li­che Bemü­hun­gen, die Geschich­te umzu­schrei­ben und den Anti­fa­schis­mus »abzu­wickeln«, was wesent­lich durch die Über­le­ben­den im In- und Aus­land ver­hin­dert wurde.

In dem Kapi­tel »Vom Umgang mit den Tätern« wen­det sich der Autor der gegen­wär­tig wie­der stra­pa­zier­ten Behaup­tung zu, auf dem Buchen­wal­der Etters­berg hät­te es zwei Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger gege­ben. Die genaue Beschrei­bung der Ent­ste­hung und Exi­stenz des faschi­sti­schen KZ Buchen­wald ent­kräf­tet die Gleich­stel­lung. Die alli­ier­ten Beschlüs­se zur Inter­nie­rung waren auf die Ent­na­zi­fi­zie­rung und die Bestra­fung der Kriegs­ver­bre­cher fixiert und in die­sem Sinn rich­te­te die sowje­ti­sche Mili­tär­ad­mi­ni­stra­ti­on das Spe­zi­al­la­ger 2 in Buchen­wald ein. Der Besat­zungs­macht Ver­nich­tungs­wil­len zu unter­stel­len, ist in Kennt­nis der kon­kre­ten Situa­ti­on schlicht absurd, was aber Unrecht­be­hand­lun­gen nicht aus­schließt. Anfang April die­ses Jah­res wird an den 80. Jah­res­tag der Selbst­be­frei­ung der Häft­lin­ge des KZ Buchen­wald gedacht. In die­sem Zusam­men­hang wird ein Inter­na­tio­na­les Jugend­tref­fen in Wei­mar und auf dem Etters­berg statt­fin­den. Es wird des Schwurs der Häft­lin­ge des KZ Buchen­wald gedacht wer­den, »den Nazis­mus mit sei­nen Wur­zeln zu ver­nich­ten und eine neue Welt des Frie­dens und der Frei­heit auf­zu­bau­en«. Nicht nur jun­gen Men­schen ist das hand­li­che und an Infor­ma­tio­nen rei­che Buch zum Gebrauch zu empfehlen.

Schnei­der, Ulrich: Buchen­wald, Papy­Ros­sa Ver­lag, Köln 2025, 142 S., 12 €.