Ich muss länger nachdenken, wann ich zum letzten Mal ein Buch in der Hand hatte, um es von Anbeginn bis zum Schluss zu lesen, ohne es zwischendurch wegzulegen. »Einem Nestbeschmutzer zum Gedenken« ist eine solch fesselnde Lektüre. Mit dem Buch ehrt Ossietzky-Autor Kurt Nelhiebel (Conrad Taler) einen Humanisten, der auch für heutige Juristengenerationen Vorbild sein sollte: Fritz Bauer. Das Denken, Wirken und Handeln des Juristen ist mit viel mehr verbunden als der gerichtlichen Feststellung, dass der Nazistaat ein Unrechtsstaat war, der Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main durchgeführt und der Spediteur des Todes Adolf Eichmann gefasst werden konnte.
Nelhiebels Eintreten für die Bewahrung des Ansehens und der Würde von Fritz Bauer ist faszinierend und zugleich anerkennenswert. Vor allem setzt der Autor sich entschieden gegen jegliche Form der Verunglimpfung, Entwürdigung oder Demontage Fritz Bauers ein. Seine dazu geführten kritischen Auseinandersetzungen – allen voran mit dem langjährigen Leiter des Archivs des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt am Main sind beeindruckend. Kurt Nelhiebel überzeugt durch Fakten und kann dabei auf eigene Erlebnisse mit Fritz Bauer und seine Berichterstattung über den Auschwitz-Prozess zurückgreifen. Das macht zugleich deutlich, wie wichtig Zeitzeugen sind und wie dankbar man ihnen sein muss, wenn sie ihr Wissen zu Papier bringen und damit auch für die Nachwelt erhalten. Dies ist immer dann wichtig, wenn andere Schriften einem vermeintlichen Mainstream folgen, der oft begleitet ist von Geschichtsklitterung.
Solche Erscheinungen machen Nelhiebel zu recht wütend, aber auch zugleich nicht bremsbar, um den falschen Mutmaßungen und Fehlinterpretationen mit Deutlichkeit zu begegnen. Dabei macht ihm niemand etwas vor. Er prangert unter Hinweis auf Tatsachen an und lässt sich nicht mit halbherzigen Argumenten abspeisen. Der Autor handelt aus innerer Überzeugung, was ihn zusätzlich glaubwürdig macht. Beeindruckend ist auch sein Kampf dafür, dass der bedeutsame Dokumentarfilm »Fritz Bauer –Tod auf Raten« von Ilona Ziok in der ARD gezeigt wird. Das Ziel ist momentan noch nicht erreicht, aber Nelhiebel macht es den Verantwortlichen nicht leicht, deren fadenscheinige Absagen weder verständlich noch akzeptabel sind. Neben der bedeutsamen Bauer-Biographie Irmtrud Wojaks ist das Buch von Kurt Nelhiebel ohne Zweifel die beste Würdigung von Fritz Bauer, 51 Jahre nach dessen noch immer nicht restlos geklärtem Tod. Vor allem junge Menschen und angehende Juristen sollten sich von dem Buch animieren lassen, der Materie mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Kurt Nelhiebel (Conrad Taler): »Einem Nestbeschmutzer zum Gedenken«, Ossietzky Verlag, 120 Seiten, 10 € zzgl. 1,50 € Versandkosten, Bezug: ossietzky@interduck.net