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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Breedlove: Stratege für den Krieg

70 Jah­re NATO geben nicht nur Anlass für kri­ti­sche Auf­klä­rung über die exi­sten­zi­el­le Bedro­hung des Welt­frie­dens, die Hoch­rü­stung und die Eska­la­ti­on der Span­nun­gen welt­weit. Wer den mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­plex in den NATO-Staa­ten kri­ti­siert, muss Füh­rungs­per­so­nen in den Blick neh­men, die in die­sem System Ver­ant­wor­tung getra­gen haben bezie­hungs­wei­se tragen.

Eine mar­kan­te Per­son ist der ehe­ma­li­ge Gene­ral der United Sta­tes Air Force (USAF) Phil­ip Mark Breed­l­ove. Er dien­te zwi­schen Mai 2013 und Mai 2016 als Ober­be­fehls­ha­ber des United Sta­tes Euro­pean Com­mand und zeit­gleich auch als mili­tär­stra­te­gisch ver­ant­wort­li­cher Ober­be­fehls­ha­ber der NATO für »Ope­ra­tio­nen« der Mili­tärs. Danach wur­de es lei­se um ihn, bis er am 6. Okto­ber 2018 ein Inter­view in der Welt gab, in dem er für Donald Trump warb: »Hören Sie nicht auf die Rhe­to­rik, schau­en Sie auf die Hand­lun­gen. Die spre­chen für sich. Ob die Inve­sti­tio­nen oder die Zahl der Trup­pen: Alles ist ange­wach­sen.« Einen Monat spä­ter besuch­te Gene­ral a. D. Breed­l­ove den Ger­man Mar­shall Fund of the United Sta­tes (GMF) in Polen und warb laut in einem Radio­in­ter­view (thenews.pl) für die wei­te­re Ver­stär­kung der US-Trup­pen in Ost­eu­ro­pa (»in this part of the con­ti­nent«). Die­se Vor­ge­hens­wei­se knüpft naht­los an sei­ne Arbeit als NATO-Füh­rungs­per­son an.

In den Jah­ren 2012 und 2013 war die­se Füh­rungs­kraft der NATO mit jahr­zehn­te­lan­ger Erfah­rung auch Direk­tor der NATO-Stra­te­gie­schmie­de »Joint Air Power Com­pe­tence Cent­re« (JAPCC) in Kal­kar am Nie­der­rhein. Die­se Zeit bilan­zie­rend gab Breed­l­ove dem Jour­nal 18 des JAPCC ein Inter­view, in dem er die erste Prio­ri­tät der NATO dar­in sah, sicher­zu­stel­len, dass die NATO-Kräf­te bereit und zur Inter­ope­ra­bi­li­tät aller Waf­fen­gat­tun­gen in der Lage sei­en. Er ergänz­te, die NATO arbei­te auf die Fähig­keit hin, initi­al, also als erste, ope­rie­ren zu kön­nen (»initi­al ope­ra­tio­nal capability«).

Die Bri­sanz die­ses völ­ker­rechts­wid­ri­gen Vor­ge­hens, das dem fried­li­chen Zusam­men­le­ben der Völ­ker Hohn spricht, wird noch kla­rer, wenn man die­se all­ge­mei­ne Äuße­rung im Zusam­men­hang mit kon­kre­ten Kon­flikt­be­rei­chen betrach­tet: Im März 2016 kri­ti­sier­te Breed­l­ove laut executivegov.com, die US-Armee habe nicht genü­gend stän­dig und vor­ne sta­tio­nier­te Trup­pen. »Vor­ne« (»sta­tio­ned for­ward«) heißt hier: in der Nähe einer mög­li­chen Front­li­nie, die unver­hoh­len die rus­si­sche West­gren­ze dar­stellt, wie die soge­nann­te NATO Respon­se Force im Bal­ti­kum – teils unter feder­füh­ren­der Betei­li­gung der Bun­des­wehr –– zeigt. Die NATO nimmt hier in Kauf, dass Span­nun­gen mit der Atom­macht Russ­land eska­lie­ren kön­nen. Im Jahr 2018 stell­ten die kri­ti­schen Nukle­ar­wis­sen­schaft­ler ihre Welt­un­ter­gangs­uhr zur War­nung vor dem Atom­krieg auf­grund der wach­sen­den inter­na­tio­na­le Span­nun­gen und des immer aus­ge­feil­te­ren Stan­des der Nukle­ar-rüstung auf zwei vor zwölf vor.

Zurück zu Gene­ral a. D. Breed­l­ove: Er ist als ein­sti­ger Ober­kom­man­die­ren­der der Streit­kräf­te der USA in Euro­pa mit welt­wei­ter Ein­satz­er­fah­rung ein Stra­te­ge, des­sen gefähr­li­cher Ein­fluss für die Eska­la­ti­on inter­na­tio­na­ler Span­nun­gen beson­ders bei­spiel­haft ist:

»Im Kanz­ler­amt ist von ›gefähr­li­cher Pro­pa­gan­da‹ die Rede: Meh­re­re west­li­che Staa­ten wer­fen NATO-Befehls­ha­ber Breed­l­ove […] Über­trei­bun­gen zum Ukrai­ne-Kon­flikt vor.« (Spie­gel, 7.3.2015) Breed­l­ove ver­wahr­te sich gegen Kri­tik an sei­nen Vor­wür­fen gegen Russ­land: »Ich ste­he zu allen öffent­li­chen Äuße­run­gen, die ich wäh­rend der Ukrai­ne-Kri­se gemacht habe«, sag­te der Ober­be­fehls­ha­ber dem Spie­gel (eben­da). Im März 2015 hat­te der Gene­ral im ORF erklärt, dass Russ­land in der Ost­ukrai­ne »über tau­send Kampf­fahr­zeu­ge, Sol­da­ten« sowie »Luft­ver­tei­di­gung und Artil­le­rie« sta­tio­niert habe und immer wie­der gezielt selbst in den Kon­flikt ein­grei­fe, und er sprach auch immer von rus­si­schen Trup­pen­kon­zen­tra­tio­nen an der eige­nen Gren­ze zur Ukrai­ne; er warn­te damals auch noch vor einer mög­li­chen Aggres­si­on Russ­lands in der Repu­blik Moldau.

Im Febru­ar 2016 erklär­te Breed­l­ove in einer Sit­zung des US-Senats­ko­mi­tees für die Streit­kräf­te dann, die USA sei­en bereit, zu kämp­fen und zu sie­gen! Wort­laut: »Die kom­ple­xe Sicher­heits­la­ge in Euro­pa sei ›in den letz­ten Mona­ten noch kom­pli­zier­ter und bedroh­li­cher gewor­den‹ […]. Russ­land wol­le die all­ge­mein akzep­tier­ten Regeln der inter­na­tio­na­len Ord­nung ›umschrei­ben‹.« (Luft­post, 25.2.16)

Oba­ma hat­te Gene­ral Breed­l­ove im März 2013 zum NATO-Ober­kom­man­deur ernannt. Er war damals bereits Chef des Luft­waf­fen­kom­man­dos der USA für Euro­pa und Afri­ka in Ram­stein. Mehr als drei Jahr­zehn­te lang habe der Offi­zier – so Prä­si­dent Oba­ma in sei­nem State­ment zur Beru­fung – mit Aus­zeich­nung Ver­ant­wor­tung auf allen Ebe­nen der U.S. Air Force rund um den Glo­bus über­nom­men. Als Com­man­der in Euro­pa sowie Afri­ka, als Com­man­der im Allied Air Com­mand (Ram­stein) und Direk­tor des Joint Air Power Com­pe­tence Cent­re in Kal­kar in Per­so­nal­uni­on habe Breed­l­ove zudem, so Oba­ma, wert­vol­le Erfah­run­gen für sein neu­es Amt sam­meln können.

Unter Breed­l­ove ver­an­stal­te­te die NATO wie­der­holt mar­tia­li­sche Groß­ma­nö­ver (Ana­kon­da, Trident Junc­tu­re, …) im Bal­ti­kum, in Nor­we­gen, Polen, im Schwar­zen Meer – und alles mit der durch das Dreh­buch kaum ver­schlei­er­ten Bot­schaft, dass Russ­land der »Feind« ist.

Auf der soge­nann­ten Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz 2015 trom­mel­te er für die »mili­tä­ri­sche Opti­on« in der Ukrai­ne und für Waf­fen­lie­fe­run­gen dort­hin. In der Ukrai­ne sicher­te er der ille­gal ins Amt gekom­me­nen Kie­wer Füh­rung die Unter­stüt­zung des west­li­chen Mili­tär­bünd­nis­ses zu. Kri­tik an sei­ner »scharf­ma­che­ri­schen Rol­le« wies er stets zurück.

Die NATO-Füh­rung weiß, mit wel­chem Risi­ko ihre Stra­te­gen spie­len, hat sie doch die Ukrai­ne laut tagesschau.de vom 28. Mai 2014 dar­in bera­ten, wie mit Atom­an­la­gen im Kriegs­fall umzu­ge­hen sei. In der Ukrai­ne liegt nicht nur Tscher­no­byl; 15 wei­te­re Anla­gen, dar­un­ter das lei­stungs­stärk­ste AKW Euro­pas, befin­den sich im Land. Aus­ge­rech­net dort für den Krieg zu bera­ten, heißt, das Ster­ben in einem Groß­teil Euro­pas und schlimm­sten­falls das Ende der Zivi­li­sa­ti­on in Form eines nuklea­ren Infer­nos wis­sent­lich in Kauf zu nehmen.

Wäh­rend der Zeit, in der Phil­ip Breed­l­ove Direk­tor des Kal­ka­rer JAPCC war, ver­öf­fent­lich­te die­se Stra­te­gie­schmie­de ein Kon­zept zur Unter­stüt­zung zukünf­ti­ger Bera­tungs-Ope­ra­tio­nen, in dem das JAPCC ein Ken­ne­dy-Zitat benutz­te, um sei­ne ver­netz­te Stra­te­gie ein­zu­füh­ren: »Unse­re Offi­zie­re und Män­ner müs­sen die poli­ti­schen, öko­no­mi­schen und zivi­len Aktio­nen mit gekonn­ten mili­tä­ri­schen Anstren­gun­gen bei der Aus­füh­rung ihrer Mis­sio­nen ver­ste­hen und kom­bi­nie­ren.« In die­ser Zeit ent­stand das JAPCC-Manu­skript »Future Vec­tor« (Zukünf­ti­ge Ziel­rich­tung), in dem man lesen konn­te, es sei zu bezwei­feln, dass es kei­nen gro­ßen Krieg mehr in Euro­pa geben wer­de; die ange­mes­se­ne (›appro­pria­te‹) Ant­wort sei ein pas­sen­der Mix aus nuklea­ren und kon­ven­tio­nel­len Kapa­zi­tä­ten (›capa­bi­li­ties‹) der NATO. Das wäre dann der Atomkrieg.

Die sozi­al-alter­na­ti­ve Web­site thepeoplesvoice.org schrieb am 29. Juni 2016, der in Ruhe­stand ver­setz­te Gene­ral Breed­l­ove schü­re wei­ter­hin auf ver­ant­wor­tungs­lo­se Wei­se Angst, kom­bi­niert mit der For­de­rung, es sol­le mehr US-geführ­te Kampf­trup­pen nahe der rus­si­schen Gren­ze geben, da Russ­land eine Gefahr dar­stel­le – für sei­ne Nach­barn sowie auch für die USA und deren Alli­ier­te. Die Web­site merkt an: Er per­ver­tiert die Wahr­heit. Zitat: »Die ein­zi­ge Bedro­hung für die USA und Euro­pa geht von den eige­nen Regie­run­gen aus – gefähr­li­che Staa­ten, die Krieg gegen die Mensch­heit zuhau­se und welt­weit füh­ren.« Dazu passt die Ein­schät­zung einer wei­te­ren kri­ti­schen US-Web­site – theintercept.com, die dar­über berich­te­te, dass Breed­l­ove wegen sei­ner Metho­den vor­zei­tig – noch in der Zeit der Oba­ma-Admi­ni­stra­ti­on – in den Ruhe­stand ver­setzt wurde.

Trump scheint ange­sichts sei­ner Eska­la­ti­ons­stra­te­gie gegen Russ­land den dama­li­gen Absich­ten des Gene­rals a. D. Breed­l­ove gegen­über offe­ner zu sein, wie der Kon­flikt um den INF-Ver­trag zeigt. Und die Kal­ka­rer Schmie­de für Mili­tär­stra­te­gien JAPCC schreibt wei­ter nach dem Breed­l­ove-Muster. Bei­spiel: Auf der Esse­ner Kon­fe­renz 2017 beklag­ten die Mili­tärs, dass eine mög­li­che Ver­tei­di­gung des Bal­ti­kums teu­er (»cost­ly«‹) sei. Dar­aus lei­te­ten die Stra­te­gen die Emp­feh­lung ab, eine erneu­te Sta­tio­nie­rung nuklea­rer Mit­tel­strecken­ra­ke­ten in Euro­pa käme in Betracht.

Mit der Auf­kün­di­gung des INF-Ver­tra­ges zum Ver­bot nuklea­rer Mit­tel­strecken­ra­ke­ten in Euro­pa sind wir wie­der an der Schwel­le, an der wir in den 1980er Jah­ren stan­den, als die Frie­dens­be­we­gung immer stär­ker wur­de. Vie­le hat­ten damals die Gefähr­lich­keit der Waf­fen­sy­ste­me erkannt. Die aktu­el­le Nukle­ar­rü­stung aller Sei­ten ist ein »Him­mel­fahrts­kom­man­do«.

Schon der erste Oster­marsch-Auf­ruf von 1960 unter­strich: »Bei Fort­set­zung der ato­ma­ren Auf­rü­stung droht der gesam­ten Mensch­heit Ver­nich­tung.« Die dies­jäh­ri­gen Oster­mär­sche sind eine außer­or­dent­lich wich­ti­ge Mög­lich­keit für alle Frie­dens­kräf­te, sich den Stra­te­gen, ihrer (Atom-)Hochrüstung und ihren Lügen ent­ge­gen­zu­stel­len. Unser Nein zum Krieg ist ein Ja zum Leben. Der Oster­marsch ist eine gute Sache, weil er für eine gute Sache ist: das Über­le­ben im Frie­den. Die Stär­kung der Frie­dens­be­we­gung wird zum immer drin­gen­de­ren Erfor­der­nis nicht nur für Europa.

Orte und Ter­mi­ne der Oster­mär­sche 2019: https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2019