Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Bluthochdruck am Straßenrand

Im Grun­de genom­men bin ich ein ziem­lich ruhi­ger und aus­ge­gli­che­ner Mensch. Doch manch­mal könn­te ich zur sprich­wört­li­chen »rasen­den Wild­sau« wer­den. Erst neu­lich. Ich hat­te mein Auto in der Innen­stadt nur kurz im Park­ver­bot abge­stellt. Als ich nach ein paar Minu­ten zurück­kam, grin­ste mich das berühm­te Knöll­chen hin­ter dem Schei­ben­wi­scher an, wäh­rend die Poli­tes­se gera­de hin­ter der näch­sten Stra­ßen­ecke verschwand.

Mit einem Schlag war es vor­bei mit mei­ner inne­ren Ruhe. Mein Blut­druck stieg in patho­lo­gi­sche Höhen. Wut­ent­brannt starr­te ich auf den Straf­zet­tel: Para­graf sowie­so, Buß­geld 25 Euro, Unter­schrift nicht zu ent­zif­fern. Dabei hat­te ich mein Auto wirk­lich nur für ein paar Augen­blicke abge­stellt, viel­leicht fünf Minu­ten, höch­stens zehn – nein, fünf­zehn Minu­ten waren es auf kei­nen Fall. Frech­heit! Will­kür! Abzocke! Wegelagerei!

Nein, das konn­te ich nicht auf mir sit­zen las­sen, noch dazu mit unle­ser­li­cher Unter­schrift. In Gedan­ken for­mu­lier­te ich bereits auf der Stra­ße mein Beschwer­de­schrei­ben an das Ord­nungs­amt, an den Ober­bür­ger­mei­ster, war­um nicht an das Büro des Bun­des­prä­si­den­ten? Vom Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te woll­te ich vor­erst noch absehen.

Aber dann hol­te mich etwas wie­der zurück auf den Boden der Rea­li­tät. Nein, es war nicht das HB-Männ­chen von frü­her mit sei­nem Wer­be­spruch »Halt, mein Freund! Wer wird denn gleich in die Luft gehen?« Obwohl Knöll­chen welt­weit sicher im Sekun­den­takt ver­teilt wer­den, erin­ner­te ich mich plötz­lich, weiß nicht war­um, an einen ähn­li­chen Vor­fall vor über fünf­zig Jah­ren in Lon­don. Damals, 1967, hat­te Paul McCart­ney sei­nen Wagen in der spä­ter berühm­ten Abbey Road abge­stellt. Die Park­uhr war abge­lau­fen, und so ver­pass­te ihm die reso­lu­te Park­wäch­te­rin Meta Davies einen Strafzettel.

Der Beat­le reagier­te wie alle Auto­fah­rer rund um den Erd­ball mit Wut und Empö­rung. Da kam ihm die Idee von einem Song, der eine Hass­ti­ra­de auf die­se Meta Davies wer­den soll­te. In den 60er Jah­ren herrsch­te aber die­ses »Love and Peace«-Gefühl, und so wur­de aus der geplan­ten Rache-Arie der wun­der­schö­ne Love-Song »Love­ly Rita«, der spä­ter in das welt­be­rühm­te Beat­les-Album »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« auf­ge­nom­men wur­de. War­um Paul McCart­ney aus Meta in sei­nem Song Rita gemacht hat, ist nicht über­lie­fert. Viel­leicht lag es eben­falls an einer undeut­li­chen Unter­schrift? Lie­be unbe­kann­te Poli­tes­se, tut mir auf­rich­tig leid, aber es reicht nicht zu einem Welt-Hit son­dern nur zu die­ser Glosse.