Sonniger Herbsttag in Amiens, und Bilder
In der kleinen Universität der Picardie
Ausstellung 150 Jahre Kriegsphotographie
Von den Kindertagen der Dragographie
Kriegsfotos hinein in unsere digitale Zeit
Pro Krieg, pro Jahr Platz für ein Bild
150 Fotos von Not, Kinderelend, Verstümmelung
Sterben und Tod, von 1861 bis zu diesem Tag
Sterben und Tod, das erste Foto aus dem
Amerikanischen Bürgerkrieg, zehn Jahre später
Frankreich – Russland, Internierte in einer Kirche
In Lausanne, so geht es weiter, so geht es weiter
Weltkriegsjahre in Schlamm und Dreck,
Erste Tanks, eiserne Monster rollen auf Ketten
Schwerstes Eisenbahngeschütz gerichtet auf Paris
Ballons und Kampfflugzeuge über der Front
Feldtelefone, Brieftauben von Stellung zu Stellung
Gasalarm im Schützengraben, Opa, da warst du 20
Und dabei, für Kaiser, Gott und Vaterland, Opa
In Schlamm und Dreck, hier um die Ecke
An der lieblichen Somme, wo jetzt mein Auto
Auf dem Parkplatz steht, und ich in der Uni
Zwischen den jungen Leuten und den Bildern
Einer Ausstellung, Ardennenoffensive auch, Verdun
Opa, halbwegs heil bist du davongekommen
1922 dann Russland facime, 23 Griechenland-Türkei
Die Zeit geht dahin, 37 Spanischer Bürgerkrieg
So geht es weiter, so geht es weiter, und die Zeit
Geht dahin, nächstes Bild, der Partisan, getroffen reißt er
Die Arme hoch, das nächste Bild, eine Exekution
Tote Körper geschichtet an der Mauer, hoch bis an
Deren Rand, Exekutionen in Polen, Frankreich, Griechenland
Italien, Russland, Exekutionen und dann natürlich Stalingrad
Papa, dort warst du nicht, in jenem Höllenkessel
In Hitlers Krieg aber musstest du doch
Und auch du hast was davon zurückbehalten
Für den Rest deines Lebens, wir aber, ihr und ich
Sein Sohn, die nächste Generation, sagt selbst
Wir hatten reichlich Glück, Ruhe und Frieden, Krieg
Immer woanders, Krieg, meist weiter weg, Kasernen
Rings um mein Haus, nebenan Atomraketen
Und nun, nach all den Jahren Ruhe und Frieden
Stehe ich hier in der Uni zwischen jungen Leuten
Und all den Bildern, und schon kommt das nächste
Ein toter KZ-Häftling, längst halb verhungert
Gestorben in der Umklammerung des unter
Strom gesetzten Stacheldrahtzauns, nächstes Bild
Die Mutter und ihr verstrahltes Kind nach dem
Atombombenabwurf der Amerikaner auf Nagasaki
Korea bald darauf, Bürgerkrieg, wir schreiben 1950
Verhöre im Gefangenenlager, die Zeit geht dahin
Ich komm nicht mit, die Zeit geht dahin, wie soll ich
Ordnen, alphabethisch chronologisch, ich komm nicht mit
Ich lasse weg und überschlage, lasse aus, und die Zeit
geht dahin, die Zeit geht dahin, Jemen 1964, Biafra 68
ich überschlage, lasse weg, 72 Vietnam, im Jahr darauf
Ägypten-Israel, 75 Vietnam, Zimbabwe dann, Uganda
Äthiopien, die Zeit geht dahin, 1985 schreiben wir
Sehen El Salvador, drei Jahre später Bosnien, Herzegowina
Somalia im selben Jahr, Kongo und Kosovo, ich komm nicht mit
Liberia seh ich, willst du alle Länder nennen, Türkei und Kurdistan
Irak, Sudan, Irak, Serbien und Nord-Dafur, Libanon, Sri Lanka
Und Afghanistan, ich komm nicht mit, Jemen schon wieder
Syrien auch, nun die Ukraine, und hinter der nächsten Ecke
Hinter der nächsten Mauer, der nächsten Grenze lauert schon
Der nächste Massenmörder, weiter geht es, weiter
Die Kriege springen durch die Zeit, springen durch Länder
Springen über die Erde, und die Jahre gehen dahin
Gehen dahin, und der Wind geht über die Gräber.