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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Beyond Caring

Wir waren in der Vor­auf­füh­rung. Die Dame ging mir zulie­be mit. Die einen haben eine Putz­frau, die ande­ren schau­en sich deren Arbeit im Thea­ter an. Wobei, wenn das Thea­ter v. a. von Bür­ger­li­chen besucht wird, und wer mag das bezwei­feln, dann gibt es hier Überschneidungen.

Der Schrei­ber die­ser Zei­len bewegt sich mit­un­ter beruf­lich in der Nähe von »Rei­ni­gungs­kräf­ten«, daher erlau­be ich mir mei­ne Bemer­kun­gen. Es wird die unter­ste Schicht der Putz­frau­en gezeigt, es gibt aber auch einen Mann im »Team«. – Die Mit­ar­bei­ter der Putz­fir­ma in unse­rer Biblio­thek, lei­der out­ges­ourct – auch ein The­ma! –, sind ganz anders. Ich habe mal mit einer zusam­men geputzt, die war neben­her Sän­ge­rin in einer Bar, rauch­te zu viel, und hat­te eine raue, schö­ne Stim­me. Kom­mu­ni­ka­ti­on war, soweit wegen Sprach­un­ter­schie­den mög­lich, genü­gend. Da gibt es erfreu­li­cher­wei­se mehr Selbst­be­wusst­sein als bei den Frau­en im Stück. Frei­lich, wer in einer Wurst­fa­brik put­zen muss, der ist weit unten und darf auf wenig Mit­ge­fühl hof­fen, außer im Thea­ter, aber da geht man rein und wie­der raus – und aus.

Wir sehen die Putz­ko­lon­ne bei der Arbeit, bei ihren Gesprä­chen, bei der »Moti­va­ti­on« durch ihren Vor­ar­bei­ter, beim Per­so­nal­ge­spräch, eine wun­der­ba­re Par­odie, aber ich habe wenig von den Unter­hal­tun­gen ver­stan­den. Auch die Dame nicht. Es lag also nicht nur an mei­nen Ohren. Es scheint, dies nur neben­bei, das wur­de auch schon von einer uns bekann­ten Schau­spie­le­rin moniert, kei­nen gro­ßen Wert mehr auf eine gute Sprach­aus­bil­dung gelegt zu werden.

Das Stück ist etwas Beckett, also etwas lang­sam und manch­mal etwas quä­lend lang­at­mig, manch­mal etwas Shocking: tota­les Dun­kel und Dis­ko-Musik – vol­le Dröhnung.

Die Schau­spie­ler sehr gut, aber wenig Thea­ter, wenig Ent­wick­lung, wir ler­nen die Figu­ren ein biss­chen ken­nen, sehen sie bei typi­schen Situa­tio­nen, auch der sich ent­wickeln­den Nähe.

Frei­lich, es kommt kein Betriebs­rat vor­bei, es kommt kein Gewerk­schaf­ter vor­bei, es ent­wickelt sich kein soli­da­ri­scher Pro­test. Es ist eine ver­flucht depri­mie­ren­de Ange­le­gen­heit. Aber liegt das am Stück, dem Autor oder an denen, die auch im Publi­kum sit­zen und in ihrer Frei­zeit nun ukrai­ni­sche Fähn­chen schwin­gen und sich auf neue Putz­frau­en freuen?

Übri­gens, wie auch bei der Bahn, saß schon jemand auf mei­nem Platz. Ein Ver­gleich der Ein­tritts­kar­ten ergab den glei­chen Sitz­platz. Soll­ten wir uns brü­der­lich einen Sitz­platz tei­len, das Thea­ter hat ja eini­ges nach­zu­ho­len? Nun, der Mann kam aus der Zukunft, sei­ne Kar­te war für den näch­sten Tag ausgestellt.

Ich wün­sche dem Thea­ter vie­le Besu­cher, es ist sehr erfreu­lich, wenn nicht nur der Lie­bes­hän­del und die Erzie­hungs­pro­ble­me des Bür­ger­tums im Thea­ter ver­han­delt wer­den, son­dern auch Klas­sen­kon­flik­te und die Arbei­ter­klas­se wieder/​auch The­ma wer­den. (Das sind sie natür­lich, nur merkt das kaum einer).

Hät­te die­se Klas­se ein Bewusst­sein und eine Par­tei, die nicht mit Sex­skan­däl­chen beschäf­tigt wäre, dann gebe es viel­leicht auch eine mar­xi­sti­sche Posi­ti­on zum Krieg, und unse­re (US-)gesteuerten Kriegs­trei­ber könn­ten ihre Het­ze nicht so unge­stört betrei­ben, wie sie es lei­der aktu­ell tun.

Die kom­men­de Betriebs­fei­er des Fleisch­be­triebs klingt wie eine Dro­hung für die Frau­en, viel­leicht wäre aber doch eine Ver­stän­di­gung mög­lich, es muss ja nicht gleich Revo­lu­ti­on sein. Ein Streik für gere­gel­te Arbeits­be­din­gun­gen, Fest­an­stel­lun­gen, mehr Geld und weni­ger Het­ze wäre schon gut.

Aber dar­auf war­ten wir, ich in mei­ner Stadt­bi­blio­thek, wo auch die Secu­ri­ty out­ges­ourct ist, wohl noch eine Wei­le. Jetzt macht das dt. Bür­ger­tum mobil, da brau­chen wir Burg­frie­den, der hat sich ja schon im Coro­na-Krieg bestens bewährt. Und wie in frü­he­ren Krie­gen wird man bald wie­der lesen kön­nen, wenn sich das zu schrei­ben noch jemand traut: Die Pro­le­ten fal­len, die Akti­en­kur­se steige

Bey­ond Caring, Schau­büh­ne Ber­lin, Buch und Regie: Alex­an­der Zel­din, näch­ster Ter­min 25.5.2022, 20 Uhr.