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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Betriebsstörungen

Die Expe­di­ti­on von Ham­burg in die Lüne­bur­ger Hei­de – genau­er gesagt, nach Schnever­din­gen – hat­te sich schon weni­ge Tage, nach­dem ich von Han­no­ver in der Nacht von Sonn­tag auf Mon­tag mit der Regio­nal­bahn zurück­ge­kehrt war, als not­wen­dig erwie­sen. Dabei war zwar am Ende alles gut aus­ge­gan­gen: Ich hat­te in Ham­burg noch eine U-Bahn erreicht, mit der ich noch den letz­ten Bus nach Hau­se bekom­men konn­te. Was sich aller­dings auf der Strecke von Han­no­ver nach Buch­holz, genau­er gesagt, zwi­schen den bei­den Bahn­hö­fen Wol­ter­din­gen und Schnever­din­gen, ereig­net hat­te, hat­te mich an mei­nem Ver­stand zwei­feln lassen.

Als näm­lich der Zug den Bahn­hof in Wol­ter­din­gen ver­las­sen hat­te, war es in kur­zen Abstän­den zu Stopps gekom­men, beglei­tet von kur­zen unver­ständ­li­chen Durch­sa­gen. Unru­hig gewor­den, ver­ließ ich mei­nen Platz und ging durch den Zug. Da beob­ach­te­te ich schließ­lich am ent­ge­gen­ge­setz­ten Ende des Zuges, wie eine Frau wie­der­holt her­aus­sprang und kurz danach wie­der ein­stieg. Sie ver­schwand immer in der (sehr klei­nen) 1. Klas­se. Dabei ent­deck­te ich auf ihrer Warn­we­ste die Beschrif­tung »Start«. Damit hat­ten sich die Rät­sel für mich ver­viel­facht, woll­te ich doch nur her­aus­be­kom­men, wes­halb der Zug so oft hielt, und ich hät­te auch gern gewusst, wo wir uns gera­de befan­den. Mei­ne Bit­te, die jewei­li­ge Sta­ti­on anzu­sa­gen, ver­hall­te jedoch ungehört.

Immer­hin bekam ich durch Befra­gen eini­ger Fahr­gä­ste her­aus, dass die Frau mit der Weste die Zug­füh­re­rin sei und dass sie den Zug immer wie­der kurz ver­las­sen müs­se, um die Bahn­über­gän­ge zu beleuch­ten. Ich frag­te nach, ob es häu­fi­ger zu sol­chen Situa­tio­nen käme. Dabei erfuhr ich neben­bei, dass die befrag­ten Fahr­gä­ste die jewei­li­gen Situa­tio­nen spe­zi­ell zur Win­ters­zeit als sehr pro­ble­ma­tisch emp­fan­den. Das ließ sich nach­voll­zie­hen. Was wür­de wohl pas­sie­ren, wenn sie aus­rutsch­te und sich dabei verletzte?

Am näch­sten Mor­gen ver­such­te ich, bei der Deut­schen Bahn Auf­klä­rung über die nächt­li­chen Gescheh­nis­se zu erlan­gen. Ich trug die bereits geschil­der­ten Beob­ach­tun­gen in ein For­mu­lar ein und erhielt schon am fol­gen­den Tag Ant­wort, aller­dings nicht von der Deut­schen Bahn, son­dern von »Start«, das sich nun­mehr als ein pri­va­tes Bahn­un­ter­neh­men erwies: »Guten Tag, Herr Zieske, vie­len Dank für Ihre Nach­richt. Ihre Anfra­ge bezieht sich auf eine Ange­le­gen­heit außer­halb des Zustän­dig­keits­be­reichs des Kun­den­dia­logs der Regio­nal­ver­keh­re Start Deutsch­land GmbH. Für die Bahn­über­gän­ge und die Fahr­we­ge ist die DB Infra­Go zustän­dig. Wir möch­ten Sie bit­ten, sich direkt an die­se Stel­le zu wen­den.« Damit war Start Deutsch­land GmbH aus der Num­mer raus, und ich ahn­te schon, dass ich bei DB Infra­Go nicht wei­ter­kom­men wür­de und konn­te die abschlie­ßen­de Fra­ge von Start Deutsch­land GmbH nur als schein­hei­lig emp­fin­den: »Waren Sie mit unse­rer Bear­bei­tung zufrie­den? Geben Sie uns ger­ne ein Feed­back und hel­fen Sie uns, bes­ser zu werden.«

Auf der Web­site von Infra­Go fand sich kein so beque­mes Käst­chen wie auf der Sei­te der »Mut­ter«, der »DB«. Also blieb mir, um die Gescheh­nis­se in der August­nacht auf­zu­klä­ren, nur ein Lokal­ter­min, und zwar in Schnever­din­gen. Der Ort ist grö­ßer als Wol­ter­din­gen und liegt etwas näher bei Hamburg.

Mei­ne Expe­di­ti­on in die Lüne­bur­ger Hei­de war am Ende erstaun­lich erfolg­reich. Als ich in Schnever­din­gen aus­stieg, stell­te ich aller­dings zunächst erschreckt fest, dass sich die Fahr­gä­ste, die ich ja gern anspre­chen woll­te, sehr schnell ver­lie­fen. Ich umrun­de­te das Bahn­hofs­ge­bäu­de, das, umge­ben von Auto­ma­ten, nur aus einem – immer­hin betret­ba­ren – Auf­ent­halts­raum bestand. Als ich das Gebäu­de auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te wie­der ver­ließ, sah ich auf dem Bahn­steig eine freund­li­che Frau mitt­le­ren Alters ste­hen, die bereit war, auf mei­ne Fra­gen zu ant­wor­ten. Ihr war das von mir beob­ach­te­te Phä­no­men bekannt; es tre­te typi­scher­wei­se an Wochen­en­den auf. In die­sen Fall sei­en die Stell­wer­ke in Sol­tau und Buch­holz nicht besetzt, und dann müss­ten in der Tat die Zug­füh­rer die Halb­schran­ken herunterlassen.

Außer der Tat­sa­che, dass das Phä­no­men offen­bar nichts mit der Fra­ge der Beleuch­tung zu tun hat­te, waren die Aus­künf­te, die ich auf der Fahrt von Han­no­ver nach Buch­holz von Mit­rei­sen­den erhal­ten hat­te, zutref­fend gewesen.

Das Phä­no­men, dass ich zwi­schen Wol­ter­din­gen und Schnever­din­gen erlebt hat­te, ist offen­bar nicht sin­gu­lär: vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bahn-personalmangel-stellwerke-100.html. (»Per­so­nal­man­gel stört Betrieb/​Bahn kann immer wie­der Stell­wer­ke nicht besetzen«).