Die Expedition von Hamburg in die Lüneburger Heide – genauer gesagt, nach Schneverdingen – hatte sich schon wenige Tage, nachdem ich von Hannover in der Nacht von Sonntag auf Montag mit der Regionalbahn zurückgekehrt war, als notwendig erwiesen. Dabei war zwar am Ende alles gut ausgegangen: Ich hatte in Hamburg noch eine U-Bahn erreicht, mit der ich noch den letzten Bus nach Hause bekommen konnte. Was sich allerdings auf der Strecke von Hannover nach Buchholz, genauer gesagt, zwischen den beiden Bahnhöfen Wolterdingen und Schneverdingen, ereignet hatte, hatte mich an meinem Verstand zweifeln lassen.
Als nämlich der Zug den Bahnhof in Wolterdingen verlassen hatte, war es in kurzen Abständen zu Stopps gekommen, begleitet von kurzen unverständlichen Durchsagen. Unruhig geworden, verließ ich meinen Platz und ging durch den Zug. Da beobachtete ich schließlich am entgegengesetzten Ende des Zuges, wie eine Frau wiederholt heraussprang und kurz danach wieder einstieg. Sie verschwand immer in der (sehr kleinen) 1. Klasse. Dabei entdeckte ich auf ihrer Warnweste die Beschriftung »Start«. Damit hatten sich die Rätsel für mich vervielfacht, wollte ich doch nur herausbekommen, weshalb der Zug so oft hielt, und ich hätte auch gern gewusst, wo wir uns gerade befanden. Meine Bitte, die jeweilige Station anzusagen, verhallte jedoch ungehört.
Immerhin bekam ich durch Befragen einiger Fahrgäste heraus, dass die Frau mit der Weste die Zugführerin sei und dass sie den Zug immer wieder kurz verlassen müsse, um die Bahnübergänge zu beleuchten. Ich fragte nach, ob es häufiger zu solchen Situationen käme. Dabei erfuhr ich nebenbei, dass die befragten Fahrgäste die jeweiligen Situationen speziell zur Winterszeit als sehr problematisch empfanden. Das ließ sich nachvollziehen. Was würde wohl passieren, wenn sie ausrutschte und sich dabei verletzte?
Am nächsten Morgen versuchte ich, bei der Deutschen Bahn Aufklärung über die nächtlichen Geschehnisse zu erlangen. Ich trug die bereits geschilderten Beobachtungen in ein Formular ein und erhielt schon am folgenden Tag Antwort, allerdings nicht von der Deutschen Bahn, sondern von »Start«, das sich nunmehr als ein privates Bahnunternehmen erwies: »Guten Tag, Herr Zieske, vielen Dank für Ihre Nachricht. Ihre Anfrage bezieht sich auf eine Angelegenheit außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Kundendialogs der Regionalverkehre Start Deutschland GmbH. Für die Bahnübergänge und die Fahrwege ist die DB InfraGo zuständig. Wir möchten Sie bitten, sich direkt an diese Stelle zu wenden.« Damit war Start Deutschland GmbH aus der Nummer raus, und ich ahnte schon, dass ich bei DB InfraGo nicht weiterkommen würde und konnte die abschließende Frage von Start Deutschland GmbH nur als scheinheilig empfinden: »Waren Sie mit unserer Bearbeitung zufrieden? Geben Sie uns gerne ein Feedback und helfen Sie uns, besser zu werden.«
Auf der Website von InfraGo fand sich kein so bequemes Kästchen wie auf der Seite der »Mutter«, der »DB«. Also blieb mir, um die Geschehnisse in der Augustnacht aufzuklären, nur ein Lokaltermin, und zwar in Schneverdingen. Der Ort ist größer als Wolterdingen und liegt etwas näher bei Hamburg.
Meine Expedition in die Lüneburger Heide war am Ende erstaunlich erfolgreich. Als ich in Schneverdingen ausstieg, stellte ich allerdings zunächst erschreckt fest, dass sich die Fahrgäste, die ich ja gern ansprechen wollte, sehr schnell verliefen. Ich umrundete das Bahnhofsgebäude, das, umgeben von Automaten, nur aus einem – immerhin betretbaren – Aufenthaltsraum bestand. Als ich das Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite wieder verließ, sah ich auf dem Bahnsteig eine freundliche Frau mittleren Alters stehen, die bereit war, auf meine Fragen zu antworten. Ihr war das von mir beobachtete Phänomen bekannt; es trete typischerweise an Wochenenden auf. In diesen Fall seien die Stellwerke in Soltau und Buchholz nicht besetzt, und dann müssten in der Tat die Zugführer die Halbschranken herunterlassen.
Außer der Tatsache, dass das Phänomen offenbar nichts mit der Frage der Beleuchtung zu tun hatte, waren die Auskünfte, die ich auf der Fahrt von Hannover nach Buchholz von Mitreisenden erhalten hatte, zutreffend gewesen.
Das Phänomen, dass ich zwischen Wolterdingen und Schneverdingen erlebt hatte, ist offenbar nicht singulär: vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bahn-personalmangel-stellwerke-100.html. (»Personalmangel stört Betrieb/Bahn kann immer wieder Stellwerke nicht besetzen«).