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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Bayerischer Präventivgewahrsam

Prä­ven­tiv­ge­wahr­sam bedeu­tet: Men­schen lan­den vor­beu­gend in einer Zel­le. Bestimmt gibt es Argu­men­te, die die­se Haft­form recht­fer­ti­gen, ter­ro­ri­sti­sche Bedro­hungs­la­gen zum Bei­spiel. Es gibt aller­dings auch Gren­zen – gesetz­li­che und ver­fas­sungs­recht­li­che. Über die­se Gren­zen wur­de jüngst in Bay­ern verhandelt.

Der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof kam dabei zu dem Ergeb­nis, dass der soge­nann­te aus­ge­wei­te­te poli­zei­li­che Prä­ven­tiv­ge­wahr­sam ver­fas­sungs­ge­mäß ist. Die ent­spre­chen­den Vor­ga­ben im Baye­ri­schen Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz (Bay­PAG) sind mit der baye­ri­schen Ver­fas­sung ver­ein­bar, wie die Ver­fas­sungs­rich­ter mit ihrer Ent­schei­dung vom 14. Juni 2023 (Az. Vf. 15-VII-18) fest­stell­ten. So weit, so markig.

Das gilt ins­be­son­de­re für die in Arti­kel 20 Absatz 2 Satz 2 Bay­PAG fest­ge­schrie­be­ne Höchst­dau­er von zwei Mona­ten. Im Wort­laut: »kann ins­ge­samt nur bis zu einer Gesamt­dau­er von zwei Mona­ten ver­län­gert wer­den«. Auch die­se Gesamt­haft­dau­er soll mit der baye­ri­schen Ver­fas­sung im Ein­klang ste­hen. Das hier im Geset­zes­text ver­wen­de­te Wört­chen »nur« erscheint – gemes­sen an den Zeit­vor­ga­ben in ande­ren Bun­des­län­dern – jedoch gera­de­zu euphe­mi­stisch. Schließ­lich ist Bay­ern mit sei­nen zwei Mona­ten in nega­ti­ver Hin­sicht ganz weit vorn. Dage­gen sieht etwa Ber­lin der­zeit eine Höchst­dau­er von »nur« zwei Tagen vor. Die­sem Unter­schied zu ande­ren Län­dern zum Trotz stellt die baye­ri­sche Höchst­dau­er­re­ge­lung in den Augen der baye­ri­schen Ver­fas­sungs­rich­ter kei­nen unver­hält­nis­mä­ßi­gen Ein­griff in das Frei­heits­grund­recht von Betrof­fe­nen dar. Denn, so der Gerichts­hof wei­ter, die Anord­nung der Höchst­dau­er sei letz­tes Mit­tel und daher tat­säch­lich nur in sel­te­nen Fäl­len zu erwar­ten. Für die Ange­mes­sen­heit der Rege­lung spre­che zudem, dass effek­ti­ver Rechts­schutz gewähr­lei­stet sei.

Die­se und wei­te­re Aus­füh­run­gen des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs wer­den bei »Law and Order«-Fetischisten zufrie­de­nes Hän­de­rei­ben aus­lö­sen. Dem Rest der Repu­blik dürf­te die Ent­schei­dung indes eher Sor­gen berei­ten. Denn die mög­li­che Fol­ge könn­te ein bun­des­wei­ter Ver­schär­fungs­trend sein. So ist es gut denk­bar, dass sich ande­re Bun­des­län­der durch die Ent­schei­dung bestärkt oder gezwun­gen sehen, ihre Lan­des­re­ge­lun­gen zum Prä­ven­tiv­ge­wahr­sam und der zuläs­si­gen Höchst­dau­er nach­zu­schär­fen. Laut Medi­en­be­rich­ten hat­te der Regie­ren­de Bür­ger­mei­ster von Ber­lin bereits im Mai ange­kün­digt, den Prä­ven­tiv­ge­wahr­sam in sei­nem Bun­des­land auf bis zu fünf Tage aus­wei­ten zu wol­len. Jetzt, mit der Ent­schei­dung aus Bay­ern im Rücken, dürf­te ihm das auch poli­tisch leich­ter fallen.