Präventivgewahrsam bedeutet: Menschen landen vorbeugend in einer Zelle. Bestimmt gibt es Argumente, die diese Haftform rechtfertigen, terroristische Bedrohungslagen zum Beispiel. Es gibt allerdings auch Grenzen – gesetzliche und verfassungsrechtliche. Über diese Grenzen wurde jüngst in Bayern verhandelt.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof kam dabei zu dem Ergebnis, dass der sogenannte ausgeweitete polizeiliche Präventivgewahrsam verfassungsgemäß ist. Die entsprechenden Vorgaben im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (BayPAG) sind mit der bayerischen Verfassung vereinbar, wie die Verfassungsrichter mit ihrer Entscheidung vom 14. Juni 2023 (Az. Vf. 15-VII-18) feststellten. So weit, so markig.
Das gilt insbesondere für die in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 BayPAG festgeschriebene Höchstdauer von zwei Monaten. Im Wortlaut: »kann insgesamt nur bis zu einer Gesamtdauer von zwei Monaten verlängert werden«. Auch diese Gesamthaftdauer soll mit der bayerischen Verfassung im Einklang stehen. Das hier im Gesetzestext verwendete Wörtchen »nur« erscheint – gemessen an den Zeitvorgaben in anderen Bundesländern – jedoch geradezu euphemistisch. Schließlich ist Bayern mit seinen zwei Monaten in negativer Hinsicht ganz weit vorn. Dagegen sieht etwa Berlin derzeit eine Höchstdauer von »nur« zwei Tagen vor. Diesem Unterschied zu anderen Ländern zum Trotz stellt die bayerische Höchstdauerregelung in den Augen der bayerischen Verfassungsrichter keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht von Betroffenen dar. Denn, so der Gerichtshof weiter, die Anordnung der Höchstdauer sei letztes Mittel und daher tatsächlich nur in seltenen Fällen zu erwarten. Für die Angemessenheit der Regelung spreche zudem, dass effektiver Rechtsschutz gewährleistet sei.
Diese und weitere Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs werden bei »Law and Order«-Fetischisten zufriedenes Händereiben auslösen. Dem Rest der Republik dürfte die Entscheidung indes eher Sorgen bereiten. Denn die mögliche Folge könnte ein bundesweiter Verschärfungstrend sein. So ist es gut denkbar, dass sich andere Bundesländer durch die Entscheidung bestärkt oder gezwungen sehen, ihre Landesregelungen zum Präventivgewahrsam und der zulässigen Höchstdauer nachzuschärfen. Laut Medienberichten hatte der Regierende Bürgermeister von Berlin bereits im Mai angekündigt, den Präventivgewahrsam in seinem Bundesland auf bis zu fünf Tage ausweiten zu wollen. Jetzt, mit der Entscheidung aus Bayern im Rücken, dürfte ihm das auch politisch leichter fallen.