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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Auri sacra fames!

Bei Gold dre­hen die Leu­te offen­sicht­lich durch. Schon Goe­the wuss­te: »Nach Gol­de drängt, /​ Am Gol­de hängt /​ Doch alles!«

Die einen fah­ren zum Gold­wa­schen nach Thü­rin­gen oder an den Müg­gel­see, suchen den gol­de­nen Flit­ter im Schlamm. Ein Frei­zeit­ver­gnü­gen. Nug­gets haben sie noch nicht gefunden.

Die ande­ren arbei­ten in impro­vi­sier­ten, ein­sturz­ge­fähr­de­ten Stol­len ohne Lohn, ohne Krank­heits- und ohne Unfall­ver­si­che­rung auf 5500 Metern Höhe in der Minen­stadt La Rin­co­na­da im Grenz­land von Süd-Peru und Boli­vi­en: 28 Tage für die Minen­be­sit­zer, zwei Tage für sich, an denen sie so viel Mate­ri­al mit nach drau­ßen neh­men dür­fen, wie sie tra­gen kön­nen. Alles für die Suche nach dem gro­ßen Glück, alles für die Erfül­lung des Traums, dass auch arme Leu­te ihren Rei­bach machen können.

Für den Bas­ler Straf­rechts­pro­fes­sor Mark Pieth ist das Minen­camp La Rin­co­na­da »der dreckig­ste Ort der Welt«, noch schlim­mer – auch was die Gewalt­si­tua­ti­on angeht – als die Fave­las in den Rand­la­gen gro­ßer Städ­te Süd­ame­ri­kas: mit queck­sil­ber­be­la­ste­tem Trink­was­ser und queck­sil­ber­ge­schwän­ger­ter Luft; ohne Abwas­ser- und Abfall­ver­sor­gung, mit kilo­me­ter­lan­gen Abfall­ber­gen, die von Gei­ern und ande­rem Getier durch­wühlt wer­den; mit Män­nern, die mit blo­ßen Hän­den in Pfan­nen rüh­ren, nach­dem sie bei Stra­ßen­händ­lern Queck­sil­ber in Tas­sen gekauft haben, mit des­sen Hil­fe das Gold aus dem Erz gelöst wer­den soll; Queck­sil­ber, das dann spä­ter wie­der von Frau­en mit Löt­bren­nern ver­dampft wird, um das mit ihm amal­ga­mier­te Gold in Rein­form zu gewin­nen. Der gif­ti­ge Queck­sil­ber­dampf geht Haus für Haus, Gas­se für Gas­se ab durch die Schornsteinröhren.

Mark Pieth, der dies alles in sei­nem Buch »Gold­wä­sche« aus eige­ner Beob­ach­tung beschreibt, hat sich in den letz­ten 25 Jah­ren »mit der Regu­lie­rung und Ein­däm­mung von inter­na­tio­na­ler Kor­rup­ti­on und Geld­wä­sche­rei« beschäf­tigt. Dabei konn­te er »nicht über­se­hen«, dass die Schweiz »nicht nur im Finanz­sek­tor, son­dern auch im Roh­stoff­han­del und spe­zi­ell im Bereich des Han­dels mit und der Ver­ar­bei­tung von Gold eine welt­weit ein­zig­ar­ti­ge Rol­le ein­nimmt«. Laut sei­ner Recher­che wer­den Jahr für Jahr cir­ca 3000 Ton­nen Gold in das Alpen­land impor­tiert und auch wie­der expor­tiert. 50 bis 70 Pro­zent der welt­wei­ten Gold­pro­duk­ti­on wer­den in Schwei­zer Raf­fi­ne­rien geschmol­zen und dabei gereinigt.

Zwei Anlie­gen prä­gen das mit zahl­rei­chen Abbil­dun­gen lese­freund­lich gestal­te­te Buch:

Für den Autor kommt sein Hei­mat­land nicht umhin, sich in Anbe­tracht der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Umwelt­zer­stö­run­gen bei der Gold­ge­win­nung vor allem in Süd­ame­ri­ka und Afri­ka »mit der Risi­ko­ex­po­si­ti­on von bei ihr ansäs­si­gen Unter­neh­men und mit dem Ruf­ri­si­ko für das Land aus­ein­an­der­zu­set­zen«. Sich also auch hier sei­ner Ver­ant­wor­tung zu stel­len, wie zum Bei­spiel teil­wei­se schon im Finanz­sek­tor (Geld­wä­sche, Steu­er­hin­ter­zie­hung), beim Roh­ma­te­ri­al­han­del (Kor­rup­ti­on, Spe­ku­la­ti­on) oder beim Waffenhandel.

Das Buch will dar­über hin­aus »die schmut­zi­gen Geheim­nis­se des Gold­han­dels« beleuch­ten, »in dem es bis heu­te nicht gelun­gen ist, die Men­schen­rech­te auf glaub­wür­di­ge Wei­se zu schützen«.

»Gold­wä­sche«, in einem Schwei­zer Ver­lag erschie­nen, kommt in Anbe­tracht des in die­sem Jahr deut­lich gestie­ge­nen, für Anle­ger inter­es­sant hohen Gold­prei­ses zum rich­ti­gen Zeit­punkt. Und passt zur augen­blick­li­chen Vor­weih­nachts­zeit, in der Pro­spek­te mit Gold-Col­liers, Gold-Arm­bän­dern und Creo­len tra­di­tio­nell Hoch­sai­son haben. Aller­dings wird wohl kaum ein Käu­fer oder Ver­käu­fer, sicher­lich auch man­gels Pro­blem­be­wusst­seins, nach der Her­kunft des Gol­des und sei­nen Abbau­be­din­gun­gen fra­gen oder nach der Lie­fer­ket­te oder den Sorg­falts­stan­dards für Mensch und Natur, kurz gesagt: nach dem glo­ba­len Fußabdruck.

»Auri sacra fames!« Schon Ver­gil hat vor 2000 Jah­ren in sei­nem römi­schen Natio­nal­epos »Aen­eis« das Ver­dikt gefällt: Es ist halt der anschei­nend unstill­ba­re »ver­wünsch­te Hun­ger nach Gold«, der die Men­schen umtreibt. Und dar­an hat sich bis heu­te nichts geän­dert. »Raf­fi­niert« hat nun mal in der deut­schen Spra­che eine dop­pel­te Bedeutung.

Mark Pieth: »Gold­wä­sche – Die schmut­zi­gen Geheim­nis­se des Gold­han­dels«, Elster & Salis AG, 304 Sei­ten, 24 €