Bekommen wir in Deutschland in schon sieben Jahren den Sozialismus? Wenn man dem auch in Ossietzky veröffentlichenden Autor Günter Buhlke glauben darf, dann besteht diese Möglichkeit durchaus. In seinem vor einiger Zeit erschienenen Buch »November 2032« schildert er – offensichtlich angeregt von dem Roman »Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf 1887« des utopischen Sozialisten Edward Bellamy – einen fiktiven Machtwechsel im Deutschland des Jahres 2025 aus der Sicht des Jahres 2032. Ein Machtwechsel, ganz simpel basierend auf dem Wahlsieg eines Bündnisses linksgerichteter Parteien. Wie sieht dieser Sozialismus des Jahres 2032 aus? Durchweg positiv. Das Großkapital wurde vom Parlament entmachtet, und die Arbeit konnte dadurch wieder einen angemessenen Platz in der Gesellschaft einnehmen. Die Parteien erfüllen endlich wieder den Willen der Wähler. Die Einkommensverhältnisse wurden angeglichen, die Renten erhöht und die Menschenrechte hochgehalten.
Wie Buhlke ganz offen schreibt, handelt es sich bei seinem Buch um eine Utopie. In seine Schilderungen, was im Kapitalismus unserer Gegenwart alles nicht funktioniert und was man dann ab dem von ihm prognostizierten Machtwechsel des Jahres 2025 besser machen könne, streut er einen kurzen Abschnitt über die Geschichte der Sozialutopie ein. Es ist durchaus anerkennenswert, dass sich nach den Umbrüchen des Jahres 1989 wieder jemand getraut, eine auf sozialistischen Prinzipien basierende Gesellschaft positiv zu schildern.
Man kann selbstverständlich an dem Buch vieles kritisieren. Die ökonomischen Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft wurden von dem Autor beispielsweise grob vereinfacht dargestellt. Auch ist aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen kaum anzunehmen, dass sich eine schwerreiche Oberschicht, wie vom Autor geschildert, einfach so die Verfügungsgewalt über ihre Vermögen aus den Händen nehmen lässt. Und außerdem scheint die derzeitige gesellschaftliche Entwicklung in eine ganz andere Richtung zu gehen: Wir erleben derzeit einen Vormarsch der radikalen Rechten.
Günter Buhlkes Buch ist, wie jede linke Utopie, ein ganz simpler Appell an die menschliche Vernunft. Dass allein ein solcher Appell in einer dem Grunde nach unvernünftigen Gesellschaft kaum etwas bewirkt, ist bekannt. Utopien können aber die scheinbar unverrückbaren Grundlagen dieser Unvernunft in Frage stellen und zum kritischen Denken anregen. Nicht mehr. Und nicht weniger.
Günter Buhlke: »November 2032«, novum Verlag, 216 Seiten, 15,90 €