Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident: »Olle Kamellen«? – Dass Murat Kurnaz Ihnen zur Wiederwahl ins höchste Staatsamt dieser Republik gratulieren würde, werden Sie nun nicht wirklich erwartet haben. Womöglich erinnern Sie sich auch schon längst nicht mehr an jenen Bremer Mitbürger, der am 29. Oktober 2002 Gegenstand einer Besprechung im Bundeskanzleramt war, das Sie unter Gerhard Schröder damals leiteten. In Ihrer Funktion als Leiter der sogenannten »Präsidentenlage«, zu der sich allwöchentlich die Chefs von BKA, BND, BfV und diverse Ministerialbürokraten versammelten, haben Sie jenen Geheimzirkel eiskalt und menschenverachtend dazu bewogen, den Menschen Murat Kurnaz fünf lange Jahre in der Folterhölle von Guantanamo verrotten zu lassen. Obwohl die US-amerikanischen Folterknechte bereits dessen Unschuld festgestellt und angeboten hatten, ihn zurück in seine deutsche Heimat zu überstellen. Völlig entfallen sein musste Ihnen und Ihren Spießgesellen bei diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit die schlechthin zentrale Verfassungsnorm unserer Republik, die da lautet: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« Die Würde des Menschen heißt es wohlgemerkt, nicht: die Würde des Deutschen. Vielleicht aber war es genau dieses Schurkenstück, mit dem Sie sich für Ihre weiteren Staatsämter empfohlen haben. Zusätzliche Karrierebausteine dürften Ihre Verstrickung in die Vorbereitung des Angriffskriegs der Nato gegen Jugoslawien 1999, die deutsche Beteiligung am Einmarsch der USA in Afghanistan 2001 und die umfassende Unterstützung des angloamerikanischen Völkerrechtsverbrechens gegen den Irak 2003 gebildet haben. Eigentlich gehören Sie nicht ins Schloss Bellevue, sondern vor den Internatio-nalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Wladimir Putin, Kriegsherr: Heim ins Reich? – Werter Herr Präsident, Sie haben gute Gründe, besorgt, ja, verärgert, gar böse zu sein. Aber bei allem Verständnis für die russische Situation und Ihre berechtigten Sicherheitsinteressen, ein Verständnis, das wir auch in diesem Heft erneut zum Ausdruck bringen, und trotz jeder berechtigten Kritik an der Nato, die diese Eskalation in unverantwortlicher Weise heraufbeschworen hat, können wir Ihren Angriff auf die Ukraine nur zutiefst verurteilen. Keiner der von Ihnen vorgebrachten Gründe – am allerwenigsten die Behauptung einer historisch »verbürgten« Zusammengehörigkeit beider Länder – wiegt das Leid auf, das Sie durch Ihren Marschbefehl verursachen.