Angela Merkel, Lernfähigkeitsmonster. – Mit Ihrem gesamten Klimakabinett sind Sie in die Niederlande gefahren, um von deren Klimaschutzpolitik zu lernen. Mit grandiosen Erkenntnissen sind Sie zurückgekehrt. Erstens: dass man genug Ladestationen braucht, wenn man den Leuten die E-Mobilität schmackhaft machen will (Tagesschau, 22.8. 17 Uhr). Zweitens: dass man nicht nur die Einsparziele erreichen, sondern auch sehen muss, wo dies am einfachsten möglich ist (Tagesschau, 22.8. 20 Uhr). Wir sind zutiefst beeindruckt.
Hartmut Böhm, aufmerksamer Ossietzky-Leser. – Mit Blick auf den Beitrag »SAT.1: Kriminell« in Ossietzky 16/2019 wiesen Sie uns darauf hin, dass es sich bei dem im Auftrag des NS-Propagandaministeriums gedrehten antisemitischen Hetzfilm, in dem Juden mit Ratten gleichgesetzt werden, nicht um den (mit anderen antisemitischen Ressentiments arbeitenden) Film »Jud Süß«, sondern um die daran anknüpfende Pseudo-Dokumentation »Der ewige Jude« handelte. Der Film wurde 1940 unter der Regie von Fritz Hippler produziert. Das Drehbuch schrieb Eberhard Taubert. Dieser war in Goebbels‘ Propagandaministerium als Referatsleiter zuständig für »Aktivpropaganda gegen die Juden«. Nach 1945 blieb Taubert im Geschäft, nun gegen alles Linksverdächtige. Von 1950 bis 1955 war er Vizepräsident des fanatisch antikommunistischen, staatlich finanzierten Volksbundes für Frieden und Freiheit, danach diente er Franz Josef Strauß (CSU) während dessen Zeit als Verteidigungsminister (1956 – 1962) als Berater für psychologische Kampfführung und der CDU/CSU als erfahrener PR-Experte. Mit Ihrer Vermutung, dies erkläre wohl so manche Wortwahl von Strauß, stehen Sie nicht allein. Der Spiegel vermutete Ähnliches: »Nicht auszuschließen, daß der langjährige Umgang mit dem schwarzbraunen Propagandisten, der Mitte der siebziger Jahre bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, dazu beigetragen hat, den Vollblutpolitiker Strauß zu seinen häufigen Ratten-Reden zu beflügeln« (Spiegel 9/1980). Bekanntes Beispiel: Gemünzt auf den linken Presseausschuss Demokratische Initiative und dessen Mitherausgeber Bernt Engelmann, erklärte Strauß 1978: »Mit Ratten und Schmeißfliegen prozessiert man nicht.«
Jürgen Wagner, Kriegsgegner. – Anlässlich des Antikriegstages am 1. September wiesen Sie auf verschiedene Kriegsvorbereitungsmaßnahmen hin, die uns zu denken geben. Sie erwähnten zum Beispiel den Rahmenvertrag zwischen Deutscher Bahn und Bundeswehr, der pünktlich zur Übernahme der »Speerspitze« der NATO im Baltikum durch die Bundeswehr am 1. Januar 2019 in Kraft trat und zunächst zwei Jahre gelten soll, mit Verlängerungsmöglichkeit. Darin hat sich die Bahn verpflichtet, der Bundeswehr Waggons und Lokomotiven für circa 1300 militärische Lastentransporte vorzuhalten und diesen freie Fahrt zu sichern. Für diese Transporte gilt etwas anderes als für sonstige Gütertransporte: Sie sollen Vorfahrt vor allen anderen Zügen haben. Gleichzeitig wird in Ulm ein NATO-Logistikhauptquartier eingerichtet. Die Militärs beklagen, dass viele Brücken, Schienenwege et cetera für militärische Schwerlasttransporte nicht mehr geeignet sind. »Deswegen«, erläuterten Sie weiter, »muss die gesamte Infrastruktur nach Osteuropa ertüchtigt werden, um möglichst schnell in Richtung Russland verlegungsfähig zu sein.« Im nächsten EU-Haushalt seien bereits 6,5 Milliarden Euro für rein militärische logistische Ertüchtigungsmaßnahmen vorgesehen. Daraus ergeben sich viele Fragen: Hatte nicht die Bahn schon bisher Probleme, die nötigen Waggons für den zivilen Gütertransport auf der Schiene bereitzustellen? Müssen in Zukunft Personenzüge auf einem Nebengleis warten, bis der Militärtransport vorbeigerauscht ist? Wird es noch mehr Verspätungen im Personenverkehr geben? Werden die für Infrastrukturmaßnahmen vorgesehenen Gelder künftig nach militärischen Gesichtspunkten vergeben? Werden klimapolitisch notwendige Verschiebungen im Güter- und Personenverkehr von der Straße auf die Schiene noch schwerer realisierbar? Gut, dass es Aufklärer wie Sie (und Ihre Informationsstelle Militarisierung e. V.) gibt, die uns auf solche Fragen stoßen.
MacherInnen der Süddeutschen Zeitung, schamlos. – Aus Anlass des G7-Gipfels Ende August im französischen Biarritz haben Sie im SZ-Magazin Nr. 33 vom 16. August fiktive Schallplattencover mit den »Greatest Hits« der am Atlantik versammelten sieben Staats- und Regierungschefs gestaltet. Diese sollten wohl witzig sein und Ihre Leser unterhalten – im Fall von Angela Merkel mit einer anti-russischen Mordphantasie. So präsentieren Sie uns als größten Hit der deutschen Kanzlerin eine Oper mit dem Titel »LE NOZZE DI WLADIMIR«. Im Begleittext zu dem »Singspiel« fabulieren Sie, Angela Merkel dirigiere die »Staatskapelle Berlin« »mehr routiniert als feurig«, aber mit dem Schlussakkord liege Wladimir, der »unheimliche Zar« und »Unhold«, »im Staube, vom Taktstock der Maestra symbolisch aufgespießt«. Angesichts des dramatischen Schicksals von Wladimir Putins Familie im von der Deutschen Wehrmacht ausgehungerten Leningrad während des Zweiten Weltkriegs ist diese Art von Propaganda schamlos und widerlich.