Ursula von der Leyen, kalt lächelnde Präsidentin der EU-Kommission. – Seit dem verheerenden Brand des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos am 8. September leben die 12.000 dort gestrandeten Mitmenschen unter freiem Himmel. Ohne fließendes Wasser, ohne sanitäre Anlagen, auf nackter Erde, in schierem Elend. Das hat Sie nicht veranlasst, sich auf die Insel zu bewegen und Soforthilfe zu organisieren. Sie schickten nur Ihren für Migrationsfragen zuständigen Vize Margaritis Schinas, einen Griechen. Derweil die Flüchtlinge weiter darben und sich die explosive Lage auf Lesbos stündlich verschlimmert, will der gute Mann »bis Ende September« einen Plan vorlegen, was die EU vielleicht unternehmen könnte. Schinas’ schöner offizieller Titel, zu Amtsantritt Ihres Gremiums festgelegt: »Kommissar für die Förderung des europäischen Lebensstils«. Jetzt wissen wir endlich, was damit gemeint war.
Gregor Gysi, nachweislich »regierungsfähig«. – Gegenüber verschiedenen Medien machten Sie deutlich, dass Sie nicht mehr an den Buchstaben des Erfurter Grundsatzprogramms der Linken hängen, trotz so hehrer Bekenntnisse wie diesem: keine Beteiligung an einer Regierung, die Kampfeinsätze der Bundeswehr führt; Auflösung der NATO, statt ihrer ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands. Als eifriger Verfechter einer Regierungsbeteiligung Ihrer Partei erklärten Sie, beim Thema »Auslandseinsätze« könne man sich »verständigen«; die Linke stehe grundsätzlich zu den Bündnisverpflichtungen der NATO. Falls Sie die Linke überflüssig machen wollen, weil im Bundestag keine Partei mehr Deutschlands Kriegs- und Rüstungsgegner repräsentiert, sind Sie auf bestem Wege.
Maria Anna Willer, Autorin. – Sie haben die Lebensgeschichte von Peter Höllenreiner aufgeschrieben (Der Junge aus Auschwitz … eine Begegnung, epubli 2015). Nach Lektüre des Nachrufs in Ossietzky 16/2020 schrieben Sie uns, dass Peter Höllenreiner Ihnen gegenüber nie gesagt habe, er sei »gläubiger Katholik«. Sie schickten uns auch ein Foto, das eine Texttafel über ihn als Teil einer Ausstellung des Amud Aish Memorial Museums zeigt. Das Museum ist in Brooklyn, NY, USA beheimatet und charakterisiert sich selbst als das »einzige Holocaust-Museum mit Fokus auf der Rolle von Glauben und Identität im breiteren Kontext der Auslöschung des europäischen Judentums« (Website des Museums, eigene Übersetzung). Die Ausstellung sei 2019 erstellt worden und im Eingangsbereich der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau zu sehen, teilten Sie uns mit. Auf der Tafel wird Höllenreiner als »Sinti Free Christian« vorgestellt. Nach Auskunft von Freunden des Verstorbenen war er vor wenigen Jahren von der katholischen Kirche zu den Freien Christen konvertiert. Ob vorher oder nachher: Die Begegnung mit Papst Franziskus in Auschwitz war zweifellos ein Highlight für ihn. Für Ihre Hinweise danken wir Ihnen.
Martin Schulz, einst SPD-Vormann, jetzt Stiftungsaspirant. – Nach der Pleite, die Sie als Kanzlerkandidat Ihrer Partei bei der Bundestagswahl 2017 einfuhren – mit 20,5 Prozent der Stimmen das bisher schlechteste SPD-Ergebnis – wurde es ruhig um Sie. Doch jetzt sorgt die Partei für ein Trostpflaster: Demnächst sollen Sie Vorsitzender der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung werden. Das aus Steuermitteln finanzierte Institut erzielt einen Jahresumsatz von fast 200 Millionen Euro. Der derzeitige Vorsitzende, Kurt Beck, scheidet nach acht Jahren aus Altergründen aus dem Amt und schlägt Sie als Nachfolger vor. Bei der SPD fallen Verlierer nicht durchs Postenrost. Da macht die Partei ihrem sozialen Anspruch alle Ehre.