In der Messe Essen steht Ende Juni der Bundesparteitag der AfD an. Dass die Partei, in der nationalsozialistische Ansichten verbreitet sind, im Ruhrgebiet einen Parteitag abhält, ruft den Widerstand alternativer Kräfte, der Gewerkschaften und etablierter Parteien von der CDU bis zu den LINKEN hervor. Die Initiative »Gemeinsam laut.de« organisiert den Protest. Die Liste der Unterstützer des Aufrufs zu Protestaktionen umfasst Organisationen wie die Grünen, SPD, DKP, die LINKE, Naturfreunde, Essener Friedensforum, VVN-BdA. Die Organisatoren gehen davon aus, dass mehrere zehntausend Demonstranten zur Gegenkundgebung kommen.
Sie wenden sich u. a. dagegen, dass eine Partei, deren Führung gegen Menschen mit einem von den Nazis übernommenen Vokabular hetzt den Eindruck von Normalität erweckt
Eine andere Veranstaltung am gleichen Ort, die etwas mehr als drei Monate später in der Messen Essen geplant ist, kommt weder in der medialen Berichterstattung vor, noch nehmen große Teile der antifaschistischen Spektren davon Kenntnis. Dabei müsste ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit hallen, wenn Militärs im Staat des Grundgesetzes mit seinem Friedensgebot einen großen Krieg in Europa und das unter Einbezug nuklearer Arsenale mit konkreten Strategien vorbereiten. Doch zur Propaganda der Meinungsmache im Nato-Staat Deutschland gehört es, die Öffentlichkeit nur mit solchen Nachrichten zu versorgen, die im Interesse der Militärs liegen.
Im Herbst jedes Jahres lädt die führende Nato-Strategieschmiede »Joint Air and Space Power Competence Centre« (JAPCC) hunderte Führungskräfte aus Politik, Rüstungsindustrie und Luftwaffe sowie vom Weltraum-Militärkommando zu ihrer Jahreskonferenz ein. Seit 2015 findet die JAPCC-Jahreskonferenzen in der Messe Essen statt.
Eine Messe bietet den großen Rüstungskonzernen des Nato-Gebiets, die die Konferenz sponsern, (siehe auf der Website des JAPCC: Sponsors) hochkarätige Präsentationsmöglichkeiten.
Die Gefährlichkeit dieser Konferenzen, die man besser »Strategietagungen« oder gleich »Kriegsplanungsberatung« nennen sollte, ergibt sich aus den Tagungsunterlagen. Die 2014er-Konferenz mit dem Titel »Future Vector« machte das besonders eindringlich deutlich: Auf Seite 141 des Manuskripts mit dem Tagungstitel schreiben die Strategen, es sei anzuzweifeln, dass es keinen großen Krieg mehr in Europa geben werde. Seite 70 fordern die Strategen angesichts dieser ihrer Erwartung einen »angemessenen Mix« aus nuklearen und nicht nuklearen Fähigkeiten für die Nato. Seite 141 benennen sie
auch noch, wo sie den möglichen Ausgangspunkt für dieses Inferno erwarten: Es sind drei Regionen und Staaten, die einst Sowjetrepubliken waren; alle haben eine gemeinsame Grenze mit Russland. Konkret sind das Georgien, die Ukraine und das Baltikum, alles Gebiete, die die Nato in ihre Strukturen integrieren will, was sie bis zu einem gewissen Grad bereits tut.
Die Nato und die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten übergehen mit der Ost-Expansion die Warnungen führender westlicher Diplomatie und Strategie, darunter George F. Kennan, der letzte US-Botschafter in der Sowjetunion, Matlock, der aktuelle CIA-Chef Burns und der ehemalige US-Militärminister Gates. Sie tun dies auch unter dem Bruch internationalen Vereinbarungen über eine Friedensordnung in gemeinsamer, weil gegenseitiger Sicherheit für »einen jeden«, wie es in der Präambel des Vertrags zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten heißt.
Die Kriegsplanung der Militärs umfasst auch den psychologischen Krieg, den sie selbst gegen die eigene Bevölkerung mit dem Ziel, sie für ihre Kriegsstrategie zu gewinnen, richten. In der Essener JAPCC-Konferenz von 2015 zum Thema »Strategische Kommunikation« kritisierten sie auf den Seiten 44 und 45 ihres Tagungsmaterials, dass die USA im unprovozierten Angriffskrieg gegen den Irak die Weltbevölkerung belogen, indem sie den Überfall mit der Gefahr von Massenvernichtungswaffen im Irak begründeten, die es nicht gab. Sie bedauerten, dass die US-Administration ihren Krieg nicht mit der Grausamkeit der Irakischen Führung begründete. So habe man die Chance vertan, die Weltöffentlichkeit doch für ihren Völkerrechtsbruch zu gewinnen.
Dreieinhalb Monate nach der großen antifaschistischen Demonstration gegen die AfD mit vermutlich wirklich zehntausenden Teilnehmenden wird dann hoffentlich eine ähnlich große Friedensmanifestation gegen den Kriegsrat der Nato in der Messe Essen Protest erheben.
Die Tagungsunterlagen für die JAPCC-Jahreskonferenz 2024 unterstreichen diese Notwendigkeit: Dort kündigen die Strategen an, dass sie Antworten finden wollen auf die Frage; wie sich die Nato ihrer Ansicht nach auf den Wandel der globalen Sicherheitslage, auf neue Konflikte und neue Technologien einstellen sollte. Dabei geht es ihnen bei der Workshop-Planung (Panels) darum, die Rolle gemeinsamer Luft- und Raumfahrtkräfte in den zeitgenössischen Entwicklungen des Schlachtfelds zu definieren. Natürlich geht es ihnen bei ihrem Ziel einer Luftüberlegenheit um die Anpassung der Nato an das Drohnen- und Raketenzeitalter. (Übersetzung und Übertragung der Ankündigung: B.T.)
Notwendig ist der Widerstand gegen die eine und gleichermaßen die andere Veranstaltung in der Messe Essen in diesem Jahr, denn die Gefahren am Rande des Abgrunds verlangen eine Abkehr von der Militarisierung, die auch viele Kräfte betreiben, die sich gegen die AfD positionieren.
Diese Politik der Militarisierung auf Kosten der Umwelt, der Infrastruktur und des Sozialsystems bereitet den Rechtsextremen, gegen die Regierungsparteien und andere führende Kräfte sich positionieren, den Boden.