Das Wendewort. Aber es gilt nach wie vor. Solange Merkel, Wagenknecht und all die anderen befähigten Genossen in der Demokratie ankommen, USPD, Grüne, PDS in deren kriegstrunkener Mitte, Lauterbachs Impfmahnbriefe in unseren Hausbriefkästen, die Kinder in der Erwachsenenwelt und die Querulanten in der Vernunft, ist die Welt in Ordnung. Ankommen schließt in der Regel Fluchten, Ausstiege, Revolten ab. Die Ausreißer sind wieder da. Der Angekommene ist erfolgreich angepasst worden. Jetzt kommt er beim Publikum gut an.
In meinem westdeutschen Duden von 1983 ist das Wort in der besagten metaphorischen Bedeutung nicht zu finden. Was wir im christlichen Abendland bis dahin kannten, war vielleicht die Ankunft des Heilands. Von den Marxisten getreulich ins Soziologische übertragen, sorgte die Lehre von der Ankunft selbst in der DDR für Tröstung, während das Volk über den Tisch gezogen wurde. Denn im Zeichen des christlich-marxistischen Fortschrittsdenkens lässt sich jeder blaue Fleck und jede Schweinerei rechtfertigen, weil es ja immer nur besser werden kann. Die Geschichte marschiert unbeirrt auf unser Heil los – und nicht etwa heillos. Da war die »Wiedervereinigung« schon fast das Paradies. Später kamen 98 Prozent aller linken SchullehrerInnen im Wahn der sogenannten Pandemie an. Man darf diese Charakterruinen aber nicht MitläuferInnen schimpfen, weil man sonst wegen »Verharmlosung des Nationalsozialismus« vor Gericht kommt. Vor die Söhne und Enkel der Nazi-RichterInnen.
Ein prominenter vorbildlicher Ankommer war bereits der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder gewesen. 1980 noch amtierender Juso-Vorsitzender, schrieb er im Sammelband Die Linke, unter der Überschrift »Die Linke vor der Alternative: Krieg oder Frieden«, hinter der »Globalisierung« verberge sich »nichts anderes als eine Neuauflage des amerikanischen Imperialismus der 50er und 60er Jahre«. Mit dieser »Wahnsinnstrategie Solidarität« zu üben, verstoße gleichermaßen gegen bundesdeutsche Interessen wie gegen die Belange weltweiter Friedenspolitik. Nebenbei beklagte er die Sitte der tonangebenden westdeutschen Blätter, die SU in Karikaturen wieder als blutrünstigen Bären zu geben, und verurteilte die entsprechende Bonner »Konfrontations- und Boykottpolitik«. Ins gleiche Horn soll der SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping noch um 1993 geblasen haben. Die Forderung, auch die Deutschen müssten endlich wie alle anderen überall auf der Welt militärisch intervenieren können, lehne die SPD ab. Sechs Jahre später machte Schröders Kriegsminister Scharping den bahnbrechenden Nato-Überfall auf Jugoslawien mit. Als Bush 2001 nach dem Einsturz der Zwillingstürme seinen »Krieg gegen den Terror« lostrat, versicherte ihm Schröder umgehend Deutschlands »uneingeschränkte Solidarität« – der Wahnsinn war schon zur Methode mutiert. Scholz und Baerbock brauchten ihn lediglich zu kopieren. Wer sie »YankeearschkriecherInnen« nennen würde, bekäme nicht Post von Lauterbach, vielmehr vom jeweils zuständigen Staatsanwalt.
Ich nehme stark an, in seinen Juso-Anfängen hatte Schröder auch die farbenprächtig gestaltete Broschüre von 1947 Sozialismus als Gegenwartsaufgabe verschlungen. Schon bezeichnend überwiegend in einem kalten Grün gehalten, leuchtet einem nur das Wort »Sozialismus« in flammendem Rot vom Titelblatt entgegen. Es war ein Frühwerk des jungen schwäbischen Landrates und Sozialdemokraten Fritz Erler. Es kreist um die Erkenntnis: »Kapitalismus bringt Krisen, und Krisen bringen Krieg.« Konsequent spricht sich Erler deshalb auch gegen die Blockbildung und Westbindung aus. Deutschland dürfe sich »keiner Seite in die Arme werfen und zum Streite hetzen, es muss das Bindeglied zwischen beiden sein«. Lesen Sie dieses Gesäusel nie Baerbock vor, sie bekäme einen Tobsuchtsanfall!
Wie aber erleben wir Erler, inzwischen Bundestagsabgeordneter, wenige Jahre später? Als Vorkämpfer all dessen, was er in seiner 52seitigen Broschüre angeprangert hatte. Darunter befand sich selbstverständlich auch das Privateigentum an Produktionsmitteln, bevorzugt in der Rüstungsbranche. Im Lauf der 1950er Jahre begrüßte Erler Wiederbewaffnung und Nato-Beitritt und schwang sich zum »außen- und wehrpolitischen Sprecher« seiner Partei auf. 1964 auch Bonner Fraktionschef der SPD, wurde er bald als kommender Verteidigungsminister oder gar Kanzlerkandidat gehandelt. Das verhinderte nur eine Krebserkrankung, der Erler 1967 mit 53 Jahren erlag.