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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Alles hat seinen Preis

Der Kapi­ta­lis­mus kennt kei­ne Wer­te, nur Prei­se. Das hat nun auch der »Unter­neh­mer« René Ben­ko erfah­ren. Nach eini­gem Hin und Her muss­te die Signa-Hol­ding beim Han­dels­ge­richt Wien, in der Mar­xen­gas­se 1 A im 3. Stadt­be­zirk, den Insol­venz­an­trag stell­ten. Über­ra­schend kam die­ser Schritt nicht. Ben­ko hat­te sei­ne Immo­bi­li­en-Fir­men in einem ver­schach­tel­ten Fir­men­kon­strukt von mehr als 1.000 Ein­zel­ge­sell­schaf­ten geord­net. Ange­fan­gen hat­te Ben­ko mit dem Kfz-Händ­ler Karl Kova­rik, der eine Start­hil­fe von 26 Mil­lio­nen Euro gab, um die die Fir­ma Immo­fi­na Hol­ding zu grün­den. Im Jahr 2004 erwarb die Immo­fi­na das Kauf­haus Tirol, das im Jahr 2010 neu erbaut wur­de, der Archi­tekt war David Chip­per­field. Dort Tirol befin­det sich das Inns­brucker Büro der Signa Hol­ding. Ab Okto­ber 2004 warb Ben­ko um Anle­ger für den ersten geschlos­se­nen Immo­bi­li­en­fond »Signa:01 Pro­per­ty Fund«.

Nun, knapp 20 Jah­re spä­ter, ist Schluss. Am 29. Novem­ber 2023 haben eini­ge Toch­ter­fir­men der Signa-Grup­pe, so die Real Estate Manage­ment Ger­ma­ny gemein­sam mit der Signa Sport United GmbH, Insol­venz ange­mel­det. Einen Tag dar­auf folg­te die Insol­venz von Sport­scheck mit sei­nen 34 Filia­len beim Amts­ge­richt Mün­chen. Eine ange­kün­dig­te Über­nah­me durch den bri­ti­schen Mode­händ­ler Fra­sers Group wird erst ein­mal nicht vollzogen.

Trotz inten­si­ver Bemü­hun­gen gelingt es Ben­ko nicht, neue Kre­dit­ge­ber und Inve­sto­ren zu fin­den. So ruhen die Bau­ar­bei­ten auch beim wich­tig­sten Pre­sti­ge­ob­jekt der Signa-Toch­ter Prime, dem Elb­tower in der Han­se­stadt Ham­burg. Aus­ge­sucht hat­te die Immo­bi­li­en­fir­ma der dama­li­ge 1. Bür­ger­mei­ster, heu­te Bun­des­kanz­ler der Ampel­re­gie­rung aus SPD, Bünd­nis Grün und FDP, Olaf Scholz. Ins Mikro­fon der TV-Sen­dung Ham­burg Jour­nal sag­te er am 8. März 2017: »Ich möch­te, dass die Ham­bur­ger sagen, wenn es fer­tig ist, das hat Olaf Scholz gut gemacht.«

Für den Pre­sti­ge­bau von Signa hat­te sich Ham­burg auf die Anga­ben der Lan­des­bank von Hes­sen-Thü­rin­gen »Hela­ba« ver­las­sen. Es ist nicht bekannt, dass ein bun­des­deut­sches Kre­dit­in­sti­tut tie­fer im Signa-Sumpf steckt als die Hela­ba. Auf­la­ge Ham­burgs für den Ver­kauf des spek­ta­ku­lä­ren Grund­stücks am Rand der Hafen­Ci­ty für das Hoch­haus war, dass es für einen Teil der Flä­che bereits siche­re Mie­ter gibt. Es war wohl die Hela­ba, die als soge­nann­ter »taug­li­cher Finan­zie­rer« die von Ham­burg gefor­der­te Vor­ver­mie­tungs­quo­te bestä­tig­te. Erst danach ver­kauf­te die Han­se­stadt Ham­burg das Grundstück.

Noch im Som­mer 2022 hat­te die Hela­ba geplant, ihr Kre­dit­enga­ge­ment gegen­über der Signa-Grup­pe um wei­te­re 150 Mil­lio­nen Euro zu erhö­hen. Hela­ba woll­te als soge­nann­ter »Lead Arran­ger« für das Elb­tower-Pro­jekt ein Ban­ken­kon­sor­ti­um zusam­men­stel­len, das 750 Mil­lio­nen Euro an Kre­di­ten auf­brin­gen soll­te. Als Eigen­ka­pi­tal brach­te die Signa-Grup­pe 150 Mil­lio­nen Euro ein, wei­te­re 50 Mil­lio­nen Euro stell­te die Fonds­ge­sell­schaft der Com­merz­bank, die Com­merz Real, für die Pro­jekt­ge­sell­schaft Elb­tower-Immo­bi­li­en GmbH & Co KG zur Ver­fü­gung. In einer Stel­lung­nah­me des Senats an die Bür­ger­schaft steht, »dass alle wei­te­ren Pla­nungs- und Bau­ko­sten durch­fi­nan­ziert sind«. Doch als Kre­di­tar­ran­geur hat­te die Hela­ba kei­nen Erfolg und muss­te im ersten Quar­tal 2023 ein­räu­men, dass sie das Ban­ken­kon­sor­ti­um mit dem avi­sier­ten Finan­zie­rungs­vo­lu­men von 750 Mil­lio­nen Euro nicht zustan­de bringt. Die Hela­ba kommt wohl unbe­scha­det aus die­ser Sache her­aus, weil noch kein Kre­dit­ver­trag vor­lag. Auch Signa häng­te die feh­len­de Ban­ken­fi­nan­zie­rung – aus nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den – nicht an die gro­ße Glocke. Soll­ten die Kre­dit­ver­trä­ge in der Tat nicht, wie gefor­dert, geschlos­sen gewe­sen sein, wäre der Grund­stück­kauf unter fal­schen Vor­zei­chen abge­wickelt wor­den. Des­we­gen rumort es in der Ham­bur­ger Poli­tik gewal­tig. Als Anker­mie­ter wur­de die Ham­bur­ger Com­mer­cial Bank (HCOB) prä­sen­tiert, bes­ser bekannt als HSH Nord­bank – und die­se war bereits Benko-Kunde.

Wie ver­quickt alles ist, zeigt die Ham­burg Com­mer­cial Bank mit ihrem Fir­men­sitz am Ger­hart-Haupt­mann-Platz, der an Signa zu einem sehr hohen Preis von 220 Mil­lio­nen Euro ver­kauft wur­de. Durch den Ver­kauf konn­te die Ham­burg Com­mer­cial Bank eine Spit­zen­mie­te für 13.000 Qua­drat­me­ter Büro­flä­che im Elb­tower zusa­gen. Fra­ge ist, ob die­ser Klün­gel oder die Son­der­ab­fra­ge der Euro­päi­schen Ban­ken­auf­sicht der EZB bei allen Signa-Gläu­bi­ger­ban­ken Anfang 2023 bedeu­te­te, dass Hela­ba miss­trau­isch wurde.

Bei dem Elb­tower geht es ab jetzt nicht mehr ohne Geld wei­ter. In den 245 Meter hohen Bau, das dritt­höch­ste Gebäu­de der Bun­des­re­pu­blik, wur­den Schät­zun­gen zufol­ge bis­her 400 Mil­lio­nen Euro inve­stiert, vor allem wegen der auf­wen­di­gen Grün­dung des Hau­es in dem san­di­gen Bau­grund. Auf­grund einer offe­nen For­de­rung von 37 Mil­lio­nen Euro wur­de vom hes­si­schen Roh­bau­un­ter­neh­men Lupp der Wei­ter­bau erst ein­mal gestoppt. Der noch nicht voll­ende­te Bau hat bereits einen Spitz­na­men »Kur­zer Olaf«.

Der Ver­kauf von 49,9 Pro­zent der Signa-Antei­le an dem Ber­li­ner Kauf­haus KaDe­We an die thai­län­di­sche Cen­tral Group im März 2023 war ein erstes Alarm­si­gnal, Signa gab die Antei­le rund 50 Pro­zent unter Buch­wert ab. Auf der Inter­net­sei­te der Cen­tral Group in Bang­kok wird neben dem KaDe­We auch das Alster­haus in Ham­burg prä­sen­tiert. Die Schul­den belau­fen sich bei den Ben­ko Fir­men nach Anga­ben von öster­rei­chi­schen Gläu­bi­ger­schutz­ver­bän­den auf rund fünf Mil­li­ar­den Euro. Davon sind 42 Fir­men und 273 Gläu­bi­ger betrof­fen. Dabei sind die wich­tig­sten Immo­bi­li­en­töch­ter Signa Prime Sel­ec­tion AG, Signa Deve­lo­p­ment AG und die Han­dels­spar­te Signa Retail von dem Insol­venz­an­trag der Hol­ding noch gar nicht erfasst. Der Schul­den­berg beträgt ein Mehr­fa­ches der Schul­den der Hol­ding. Nach Infor­ma­tio­nen der öster­rei­chi­schen Tages­zei­tung Der Stan­dard gehö­ren zu den Gläu­bi­gern der Gebüh­ren-Inkas­so-Ser­vice des ORF, die Heli­c­op­ter Air Trans­port, der öster­rei­chi­sche Ex-Bun­des­kanz­ler Alfred Gusen­bau­er (SPÖ) und sei­ne Fir­ma Gusen­bau­er Pro­jekt­ent­wick­lung und Betei­li­gung. Auf der Liste steht auch der öster­rei­chi­sche Ex-Kanz­ler Seba­sti­an Kurz, den eine lan­ge Freund­schaft mit Ben­ko verbindet.

Bekannt wur­de, dass zu den Ben­ko-Gläu­bi­gern auch die Schwei­zer Bank Juli­us Bär in Zürich gehört. Die­se Pri­vat­bank ver­wal­tet für Kun­den in aller Welt ein Ver­mö­gen von 435 Mil­li­ar­den Fran­ken. Ende Novem­ber ver­mel­de­te Juli­us Bär, dass man 606 Mil­lio­nen Fran­ken an »ver­schie­de­ne Ein­hei­ten eines euro­päi­schen Kon­glo­me­rats« ver­ge­ben habe. Dabei han­delt es sich dem siche­ren Ver­neh­men nach um drei Kre­di­te an die Signa-Grup­pe. Das, so betont die Pri­vat­bank, sei durch »meh­re­re Sicher­hei­ten in Ver­bin­dung mit Gewer­be­im­mo­bi­li­en und Luxus­ein­hei­ten« abge­si­chert. Für die Aktio­nä­re der Juli­us Bär Bank ist das mehr als eine böse Über­ra­schung, der Kurs der Aktie fiel um ein Fünf­tel sei­nes Wertes.

Die Signa-Hol­ding schul­det ihren Gläu­bi­gern 5,3 Mil­li­ar­den Euro. Allein in die­sem Jahr ist die­se Ver­schul­dung offen­bar wei­ter gestie­gen. Im Gegen­zug sind die Ver­mö­gens­wer­te – die Betei­li­gun­gen an den ver­schie­de­nen Immo­bi­li­en und Han­dels­fir­men der Signa-Grup­pe – dra­ma­tisch geschrumpft und haben nur noch einen Buch­wert von 2,8 Mil­li­ar­den Euro. Bei die­ser star­ken Über­schul­dung ist es mehr als frag­lich, ob der Plan der Signa-Hol­ding, sich in Eigen­ver­wal­tung zu sanie­ren, über­haupt auf­ge­hen kann.

Der Insol­venz­ver­wal­ter Chri­stoph Statz steht vor einer Her­ku­les­auf­ga­be. Die Finanz­struk­tur des Kon­zerns mit sei­nen zahl­rei­chen Insich­ge­schäf­ten ist sehr ver­schach­telt. Damit eine Sanie­rung in Eigen­ver­ant­wor­tung begin­nen kann, muss alles aus­sor­tiert wer­den, was nicht benö­tigt wird. Bekannt wur­den auch die Aus­wüch­se der Rei­se­ko­sten bei Signa. Für die 40 Ange­stell­ten wur­den 2022 etwa 4,9 Mil­lio­nen Euro allein an Rei­se­ko­sten aus­ge­ge­ben, dazu 2,2 Mil­lio­nen für Pri­vat­flug­zeu­ge und 430 000 Euro für Hub­schrau­ber­flü­ge. Für die näch­sten Mona­te hat die Signa Hol­ding in der bei Gericht ein­ge­reich­ten Insol­venz­an­mel­dung fest­ge­schrie­ben, dass die Rei­se­ko­sten ab sofort auf monat­lich 23.000 Euro gedeckelt werden.

Inzwi­schen sind bei Signa alle Bau­ar­bei­ten ein­ge­stellt. Es hat kein Jahr gedau­ert, bis aus dem öster­rei­chi­schen »Wun­der­wuz­zi« ein geschei­ter­ter Immo­bi­li­en­un­ter­neh­mer gewor­den ist. Was aus den Kauf­häu­sern Karstadt/​Kaufhof und den Mit­ar­bei­tern wird, das inter­es­siert Ben­ko nicht, eben­so wenig, was aus den Innen­städ­ten wird, wenn die gro­ßen Kauf­häu­ser schließen.

Am 11. Dezem­ber folg­te der näch­ste Pau­ken­schlag: Timo Herz­berg, ver­ant­wort­lich für das Immo­bi­li­en­ge­schäft der Signa-Grup­pe wur­de vom Auf­sichts­rat frist­los ent­las­sen. Grund für die Ent­las­sung: »Ein drin­gen­der Ver­dacht auf gro­be Ver­let­zung sei­ner Pflich­ten«, so die Signa-Mit­tei­lung. »Lei­der muss­ten wir die­se Ent­schei­dung tref­fen und die­sen har­ten Schnitt set­zen«, erklär­te der ehe­ma­li­ge öster­rei­chi­sche Bun­des­kanz­ler Alfred Gusen­bau­er (SPÖ). »Die Ver­dachts­la­ge war ein­deu­tig und ließ den Auf­sichts­trä­ten kei­ne Wahl.«

Die Grün­de sind, dass Herz­berg neben sei­ner Funk­ti­on auch 60 Pro­zent an einer Gesell­schaft mit Namen Havit, einem Anbie­ter von Spa- und Fit­ness­stu­dio-Dienst­lei­stun­gen hält. Havit hat Flä­chen in den Signa-Gebäu­den offen­bar zu mark­tun­üb­li­chen gün­sti­gen Prei­sen ange­mie­tet. Noch vor weni­gen Mona­ten schwärm­te Herz­berg im »Busi­ness­netz­werk Lin­ke­din« von Havit im Büro­kom­plex »Beam« in Ber­lin-Mit­te, einem Signa-Pro­jekt. Die Spar­te, aus der Herz­berg ent­las­sen wur­de, ist im Gegen­satz zur Kon­zern­mut­ter Signa Hol­ding noch nicht insol­vent. Das könn­te aber bald bevor­ste­hen – und sich noch stär­ker aus­wir­ken als die Plei­te der Hol­ding, die mit fünf Mil­li­ar­den Euro Ver­bind­lich­kei­ten bereits die größ­te Insol­venz der öster­rei­chi­schen Wirt­schafts­ge­schich­te dar­stellt. Die Schul­den, so Insi­der, sind bei den bis vor kur­zem von Herz­berg gelei­te­ten Unter­neh­men »Prime« und »Deve­lo­p­ment« noch­mals rund dop­pelt so hoch.