John Lennon’s Song »Working Class Hero« war ein Hit in einer Zeit, in der die politische Linke mehr Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs hatte, als das heute der Fall ist.
John Lennon sang: »Da ist noch Raum ganz oben, sagen sie Dir / Aber zuerst musst du lernen zu lächeln, während Du tötest / Wenn Du wie die Leute an der Spitze sein willst / Ein Held der Arbeiterklasse, das ist etwas, das man sein sollte.«
Heute bestimmen deutlicher als in Zeiten der Jugendrevolte nach 1968 die Gedanken der Herrschenden, welche Gedanken in der breiten Öffentlichkeit und entsprechend in vielen Menschen Raum greifen. Heute kommt kaum jemand ohne Insta aus, ohne TikTok. Die AfD hat auf TikTok weit mehr Zulauf als alle anderen Parteien zusammen.
John Lennon kritisierte in seinem Song: »Sie hassen dich, wenn du schlau bist, und verachten dich, wenn du wie ein Narr handelst (…). Dann erwarten sie, dass du eine Karriere ergreifst, wenn du nicht richtig funktionieren kannst, bist du voller Angst (…). Ein Held der Arbeiterklasse zu sein, ist etwas, das es Wert ist, zu sein« (Übersetz.: B.T.).
Heute formen der Neoliberalismus und militärische Botschaften ein gänzlich anderes gesellschaftliches Klima im politischen Westen, so auch in Deutschland. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann, Mitautor der Studie »Jugend in Deutschland 2024« kommentierte in der Frankfurter Rundschau vom 24.04.2024: »Die Annahme, dass die Jungen links sind, ist falsch«, da rechtspopulistische Einstellungen in der Generation Z zunehmen.
Laut der Neuen Zürcher Zeitung vom 1. März 2018 kommen die »großformatigen Gesellschaftsentwürfe (…) heute nicht mehr von links, sondern von rechts. (…) Der Kapitalismus mit seinem immergleichen Warenangebot – uniforme Einkaufsstraßen, standardisierter Online-Handel – lässt kaum noch Wahlfreiheit zu. Der neue Flachbildfernseher hat einen Internetzugang, ob man will oder nicht. Und im Internet muss man Cookies und Tracker akzeptieren. (…) Die Rechte hat die Symbolik der Alternativen kopiert – und die Linke mit ihren eigenen Waffen geschlagen.«
Die ARD-Sendung Panorama vom 1. Juli 2021 diagnostiziert den Positionswandel in der Öffentlichkeit zur Frage, was genau »links« sei: »Waren früher damit noch klare politische Bekenntnisse verbunden, herrscht heute vor allem eines: viel Verwirrung.«
Diese Verwirrung kommt den Herrschenden gelegen, denn sie lenkt von den systembedingten Ungerechtigkeiten im Kapitalismus ab. 1947 hatte selbst die CDU in ihrem Ahlener Programm noch erkannt: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.«
In der aktuellen Diskurs-Phase verbinden immer mehr Menschen – anders als nach dem Faschismus, dem Kalten Krieg, in der Zeit der 1968er-Revolte, der Friedensbewegung der 1980er Jahre und der Kriege in den Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges – »links« mit alternativen Kulturbegriffen wie dem eines solidarischen Lebenswandels, oder mit Toleranz gegenüber benachteiligten Gruppen. Damit ist »Links« nicht mehr per se mit »Sozialismus, Systemkritik und Antikapitalismus sowie mit der Solidarität mit der Arbeiterklasse« verbunden, nicht mehr prioritär mit der Kritik an der Kluft zwischen Lohnarbeit und Kapital. Mit einem oft unreflektierten Extremismus-Begriff setzen viele Medien und Verantwortungsträger/innen Teile der Linken in die Nähe der Rechten. Das wird oft mit Antisemitismus-Vorwürfen verbunden, sodass etwa der linke Politiker Yanis Varoufakis sogar mit einem Einreiseverbot nach Deutschland belegt wurde. Die TAZ berichtete am 13.4.2024 in diesem Zusammenhang: »Neben Varoufakis wurden im Zuge der ›Palästina-Konferenz‹ auch gegen den Autor Salman Abu Sitta und den Arzt und Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu-Sittah, Betätigungsverbote ausgesprochen. Ghassan Abu-Sittah, der in Berlin darüber berichten wollte, was er als Arzt bei seinem Einsatz mit ›Ärzte ohne Grenzen‹ in Gaza erlebt hatte, war mehr als drei Stunden am Berliner Flughafen festgehalten worden. Ihm wurde die Einreise verweigert, er musste umgehend nach London zurückkehren.«
Die Verwirrung geht demzufolge so weit, dass linke Systemkritiker/innen auch im Bereich von Wissenschaft und Forschung Ausgrenzung erfahren, wie das Schicksal der jüdischen US-Philosophin Nancy Fraser zeigt, der dieses Jahr eine Gastprofessur an der Universität Köln verwehrt wurde, nachdem sie einen offenen Brief unter dem Titel »Philosophy for Palestine« unterschrieben hatte.
Viele Forschenden im In- und Ausland sehen in dem Fall einen beispielhaft gravierenden Eingriff in die Meinungsfreiheit. Frau Fraser kritisiert, »dass Kritiker der israelischen Staatspolitik in Deutschland reflexartig des Antisemitismus und der Leugnung des Existenzrechts Israels beschuldigt würden« (Forschung & Lehre, 11.4.2024).
Ähnliche Verwirrungen stiften einige Kritiker der Friedensbewegung, wenn sie dieser u. a. vorwerfen, dass sie etwa mit ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine AfD-Positionen vertreten. Die Warnung vor einer Eskalation und die Forderung nach Diplomatie entspringt dem Pazifismus; die AfD dagegen warnt vor einer sogenannten »Ausplünderung der Bundeswehr« durch Waffenlieferungen (Deutschlandkurier, 19.01.2023). Die Ablehnung der Nato durch die AfD entspringt ebenfalls einem Ultranationalismus und nicht dem Pazifismus. Nationalisten sind gegen jegliche äußere Einmischung durch Nato-Strukturen. Die Friedensbewegung lehnt die Nato ab, da ihre Strategie der Abschreckung und Hochrüstung der weltweiten Kooperation zugunsten der Bewältigung der Zukunftsgefährdungen in einer Friedensordnung der gemeinsamen Sicherheit entgegensteht.
Parteien der Nato-Lobby wie die in der Ampel-Regierung und die CDU/CSU warnen vor einem Rechtsruck und unterstützen Anti-AfD-Demonstrationen, betreiben aber zugleich mit ihrer Asylrechtsverschärfung, mit Waffenexport-Rekorden und Sozialabbau und der steuerlichen Begünstigung von Kapitaleignern rechte Politik.
Grundsätzlich besteht die die historische Aufgabe der Linken darin, alle Verhältnisse »umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes, verächtliches Wesen ist«, wie es Karl Marx in der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie auf den Punkt brachte. Als Ziel dieser Umwälzung bezeichneten Karl Marx und Friedrich Engels im kommunistischen Manifest eine Assoziation, »worin die freie Entwicklung eines Jeden, die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist«.
Die Linke ist internationalistisch, sie verfolgt friedenspolitische Ziele im Rahmen des Völkerrechts, sie ist interkulturell, demokratisch auf Partizipation ausgerichtet und entsprechend gegen jede Unterdrückung und Ungleichbehandlung von Menschen.
Die Linke im 21. Jahrhundert steht vor der Aufgabe, eine internationale Kooperation zur Bewahrung der Lebensgrundlagen aufzubauen. Sie steht gegen Hochrüstung, Ausgrenzung, Umweltzerstörung und Ausbeutung. Sie steht für Zukunft, die es nur im Frieden gibt. Wie sang John Lennon: »Give Peace a Chance!«