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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Alle gegen Russland

Der ukrai­ni­sche Bot­schaf­ter in Deutsch­land freut sich über die Einig­keit der Talk­run­de. »Alle gegen Russ­land den Krieg gewin­nen!« heißt die Paro­le. Caren Mios­ga schließt die Rei­hen – jeden­falls in klei­ner Run­de. Die 61. Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz ist soeben zu Ende gegan­gen. Wütend saßen die einst »hoch­ka­rä­ti­gen« Exper­ten da – seit Jah­ren lie­fern sie vor Ein­sei­tig­keit strot­zen­de »Exper­ti­sen«, die jeder kri­ti­schen For­schung Hohn spre­chen. Eine war sogar ein­mal Vor­sit­zen­de des wis­sen­schaft­li­chen Bei­ra­tes der Deut­schen Stif­tung Frie­dens­for­schung, einer inzwi­schen staat­lich gelenk­ten und von der Poli­tik gesteu­er­ten Insti­tu­ti­on. Eine para­si­tär in unse­rem Gesell­schafts­kör­per ange­wach­se­ne deutsch-atlan­ti­sche Sicher­heits­ka­ste mit spe­zi­fi­scher Denk­tra­di­ti­on sitzt da, die von Kri­tik und Selbst­kri­tik als höch­ster metho­di­scher Instanz nie etwas gehört hat. Auf­ge­stie­gen in eli­tä­re Zir­kel, repro­du­zie­ren sie Ideo­lo­gien ihrer selbst, um die Gesell­schaft zu steu­ern. Es sind Ver­tre­ter der ein­heit­li­chen Mei­nung, gegen­sei­tig sich über­trump­fend, wer die schärf­ste Ant­wort auf die Rede des ame­ri­ka­ni­schen Außen­mi­ni­sters Van­ce zu bie­ten hat. Der wag­te es, von Euro­pa freie Mei­nungs­äu­ße­rung und Demo­kra­tie ein­zu­for­dern, und sprach sich für die AfD aus. Putin die erober­te Kriegs­beu­te zu über­las­sen und wesent­li­che sei­ner For­de­run­gen zu über­neh­men, ließ die Grup­pe förm­lich explo­die­ren. Wie schon lan­ge üblich, dis­ku­tie­ren bei Mios­ga: der kriegs­er­fah­re­ne Bot­schaf­ter und die erreg­ten deut­schen Kol­le­gen Car­lo Masa­la von der Bun­des­wehr-Uni­ver­si­tät Mün­chen, Nor­bert Rött­gen, außen­po­li­ti­scher Spre­cher der CDU-Bun­des­tags­frak­ti­on, auch u. a. stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der Atlan­tik-Brücke, sowie, last but not least, Con­stan­ze Stel­zen­mül­ler. Bevor sie zum Ger­man Mar­shall Fund oft the United Sta­tes of Ame­ri­ca wech­sel­te (anschlie­ßend zu Broo­kings), beschrieb sie für die Wochen­zei­tung Die Zeit das Ein­schla­gen der US-Marsch­flug­kör­per auf ira­ki­schem Boden. Kalt, in Jünger’scher Manier nach Art »Stahl­ge­wit­ter«, goss sie Wir­kun­gen der Ver­nich­tungs­tech­no­lo­gien in Wor­te: »Shock and Awe«, bekannt als »Rapid Domi­nan­ce«, der ame­ri­ka­ni­schen mili­tä­ri­schen Stra­te­gie und Dok­trin einer Kriegs­füh­rung, die auf dem Ein­satz spek­ta­ku­lä­rer Macht­de­mon­stra­tio­nen basiert, um die Wahr­neh­mung des Geg­ners auf dem Schlacht­feld zu läh­men und sei­nen Kamp­fes­wil­len zu zer­stö­ren. Zusam­men mit Clau­dia Major und vie­len ande­ren an der Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik Mit­ar­bei­ten­den ver­schlei­ert sie die Den­kungs­art, indem »Ver­ant­wor­tung« beschrie­ben wird als Ver­tei­di­gung der »west­li­chen« Wer­te in der Welt. Der dama­li­ge Bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck mach­te die­ses Kon­zept zur Grund­la­ge sei­nes glo­ba­len Ideenentwurfs.

Die Sor­ge des ehe­ma­li­gen US-Prä­si­den­ten Biden, der laut abge­fan­ge­ner Geheim­dienst­ge­sprä­che im Herbst 2022 vor einem Atom­krieg warn­te, wird bei­sei­te­ge­scho­ben, Mün­chen 1938 beschwo­ren und wei­te­re Tote und Kriegs­op­fer in Kauf genommen.

Wäh­rend Stel­zen­mül­ler scharf kri­ti­siert, dass US-Prä­si­dent Trump schon im Vor­feld For­de­run­gen von Putin über­neh­me und sogar des­sen Sprach­re­ge­lung, sieht Car­lo Masa­la Putin als Gewin­ner, der sich nun getrost zurück­leh­nen dür­fe und so oder so als Sie­ger das Feld der ange­kün­dig­ten Ver­hand­lun­gen zwi­schen den USA und Russ­land ver­las­sen wer­de. Schließ­lich befin­det sei­ne Armee sich in der Ukrai­ne auf dem Vor­marsch. Wenn das, was sich jetzt abzeich­ne, ein­tritt, »ste­hen wir in Euro­pa vor einem neu­en Krieg«, weiß Masa­la. »Das wird nicht mehr lan­ge dau­ern. Putin wird nicht zufrie­den sein, er wird wei­ter­ge­hen. Sie berei­ten sich dar­auf vor, weiterzugehen.«

Alle Pro­pa­gan­di­sten sol­cher The­sen spre­chen nach, was sie von ande­ren gehört haben. Im Volks­mund spricht man von Nach­plap­pern. Wie sieht es for­mal aus? Gibt es der­ar­ti­ge Infor­ma­tio­nen? Ant­wort: »Nein!« Die Deut­sche Gesell­schaft für Aus­wär­ti­ge Poli­tik (DGAP), eine deut­sche Nach­grün­dung des Ame­ri­can Coun­cil of For­eign Affairs nach 1945 unter ame­ri­ka­ni­scher Anlei­tung, bleibt auch nach Trumps Frie­dens-Deal-Vor­ha­ben am Fest­hal­ten der Kriegs­po­li­tik ori­en­tiert. Die DGAP for­mu­liert ledig­lich Annah­men für wei­te­re von Russ­land angeb­lich geplan­te Angrif­fe auf ehe­ma­li­ge Sowjet­re­pu­bli­ken, oder gar wei­ter­ge­hen­de, gen Westen. Ein Chor der Kriegs­rhe­to­rik. Doch auch deut­sche Geheim­dien­ste tap­pen im Dun­keln. Und wenn man schon auf die Zuver­läs­sig­keit der Dien­ste kommt, gehö­ren die sie­ben US-ame­ri­ka­ni­schen noch zur besten Quel­len­grund­la­ge. Wie jedes Jahr, erstel­len die »Ame­ri­ka­ner« eine »Bedro­hungs­ana­ly­se«, und für 2024 ist ihr Ergeb­nis, »die Rus­sen pla­nen kei­nen Angriff, sie agie­ren immer unter­halb der Schwel­le, z. B. Cyber­an­grif­fe – anstel­le eines Angriffs«. Doch Stel­zen­mül­ler bleibt dabei: »Als ob wir die Wahl hät­ten zwi­schen Krieg und Frie­den«; sie glaubt, dass der hybri­de Krieg bereits die Schwel­len­über­schrei­tung sei, ein »Infor­ma­ti­onskrieg« und ein Krieg der gegen­sei­ti­gen Desta­bi­li­sie­rung. So etwa gibt es aller­dings schon, seit­dem es Mäch­te auf der Welt gibt, von der Anti­ke bis zur digi­ta­len Welt! Wer über die bes­se­ren Infor­ma­tio­nen ver­fügt, ist bes­ser vor­be­rei­tet für alles! Ein sol­cher »Krieg« wird mit heu­ti­gen Mit­teln von allen betrie­ben und nicht etwa, wie von den Medi­en falsch ver­mit­telt, nur von Russ­land und China!

Zwi­schen der mili­tä­ri­schen Fähig­keit und der Absicht zum Krieg ist zu unter­schei­den. Nach sei­ner Kennt­nis und Aus­wer­tung seit Jahr­zehn­ten ent­stan­de­ner Ver­bin­dun­gen zum höch­sten mili­tär­po­li­ti­schen West-Ost-Netz­werk kommt der ehe­ma­li­ge erste Vor­sit­zen­de des Mili­tär­aus­schus­ses der Nato, Gene­ral a. D. Harald Kujat, zu dem Ergeb­nis, dass es eine Absicht Russ­lands nicht gebe. Viel spre­che gegen erho­be­ne Behaup­tun­gen, Russ­land wer­de »wei­ter­mar­schie­ren« und Nato-Staa­ten über­fal­len. Zunächst spricht allei­ne ein Gedan­ke dage­gen, dass Putin und sei­ne Füh­rung gera­de die Nato als Gefahr sehen! Er wäre ver­rückt, wenn er sie angrei­fen wür­de, weil dies im Atom­krieg enden muss. Die Poten­zia­le der Nato in Euro­pa sind viel zu groß.

Die Ukrai­ne ver­füg­te im Jahr 2022 unge­fähr über 400 000 Sol­da­ten. Mit einer Armee­stär­ke von 150 000 bis 190 000 Sol­da­ten beim schnel­len Vor­rücken auf Kiew Vor­or­te ver­such­te Russ­land, die Selen­skyj-Regie­rung abzu­set­zen. Der Oppo­si­tio­nel­le Wik­tor Med­wedt­schuk, spä­ter ver­haf­tet und gegen ukrai­ni­sche Gefan­ge­ne in Russ­land aus­ge­tauscht, soll­te die Amts­ge­schäf­te wei­ter­füh­ren. Zur Beset­zung, so Kujat, wäre eine wesent­lich grö­ße­re Armee erfor­der­lich gewe­sen. Zur Siche­rung der viel­fach klei­ne­ren DDR waren durch­schnitt­lich 500.000 Offi­zie­re, Sol­da­ten und Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge auf 108.000 Qua­drat­ki­lo­me­tern sta­tio­niert. Ukrai­ne: 603.000 km². Der fast sechs Mal grö­ße­re Raum bedarf einer Besat­zungs­ar­mee von enor­mer Grö­ße. Zum Ver­gleich: Rund 3,3 Mil­lio­nen deut­sche Sol­da­ten mit fast 3.650 Pan­zern und Sturm­ge­schüt­zen, rund 600.000 Kraft­fahr­zeu­gen und etwa 3.000 Flug­zeu­gen tre­ten am 22. Juni 1941 zum Angriff auf die Sowjet­uni­on an. Nicht ein­ge­rech­net die nach­rücken­den unter­schied­li­chen Ein­hei­ten von Ver­nich­tungs- und Ver­fol­gungs­trup­pen, von Ver­wal­tungs­per­so­nal zur Siche­rung der Besat­zung sowie die Ver­bün­de­ten. Masa­la und ande­re wis­sen natür­lich, dass ihre den »Rus­sen« unter­stell­ten Erobe­rungs­fan­ta­sien Quatsch und rei­ne Pro­pa­gan­da sind, Angst erzeu­gen, anstatt Plä­ne, wie man aus dem Schla­mas­sel her­aus­kommt. Auch der ober­ste Nato-Gene­ral im Mili­tär­aus­schuss weiß aus eige­ner koope­ra­ti­ver Erfah­rung mit den höch­sten Offi­zie­ren in Mos­kau (und Kiew), dass das, was man ihnen unter­stellt, sie auf alle Fäl­le ver­mei­den wol­len! Den Krieg gegen die Nato und gegen Europa!