Der ukrainische Botschafter in Deutschland freut sich über die Einigkeit der Talkrunde. »Alle gegen Russland den Krieg gewinnen!« heißt die Parole. Caren Miosga schließt die Reihen – jedenfalls in kleiner Runde. Die 61. Münchner Sicherheitskonferenz ist soeben zu Ende gegangen. Wütend saßen die einst »hochkarätigen« Experten da – seit Jahren liefern sie vor Einseitigkeit strotzende »Expertisen«, die jeder kritischen Forschung Hohn sprechen. Eine war sogar einmal Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Stiftung Friedensforschung, einer inzwischen staatlich gelenkten und von der Politik gesteuerten Institution. Eine parasitär in unserem Gesellschaftskörper angewachsene deutsch-atlantische Sicherheitskaste mit spezifischer Denktradition sitzt da, die von Kritik und Selbstkritik als höchster methodischer Instanz nie etwas gehört hat. Aufgestiegen in elitäre Zirkel, reproduzieren sie Ideologien ihrer selbst, um die Gesellschaft zu steuern. Es sind Vertreter der einheitlichen Meinung, gegenseitig sich übertrumpfend, wer die schärfste Antwort auf die Rede des amerikanischen Außenministers Vance zu bieten hat. Der wagte es, von Europa freie Meinungsäußerung und Demokratie einzufordern, und sprach sich für die AfD aus. Putin die eroberte Kriegsbeute zu überlassen und wesentliche seiner Forderungen zu übernehmen, ließ die Gruppe förmlich explodieren. Wie schon lange üblich, diskutieren bei Miosga: der kriegserfahrene Botschafter und die erregten deutschen Kollegen Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München, Norbert Röttgen, außenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, auch u. a. stellvertretender Vorsitzender der Atlantik-Brücke, sowie, last but not least, Constanze Stelzenmüller. Bevor sie zum German Marshall Fund oft the United States of America wechselte (anschließend zu Brookings), beschrieb sie für die Wochenzeitung Die Zeit das Einschlagen der US-Marschflugkörper auf irakischem Boden. Kalt, in Jünger’scher Manier nach Art »Stahlgewitter«, goss sie Wirkungen der Vernichtungstechnologien in Worte: »Shock and Awe«, bekannt als »Rapid Dominance«, der amerikanischen militärischen Strategie und Doktrin einer Kriegsführung, die auf dem Einsatz spektakulärer Machtdemonstrationen basiert, um die Wahrnehmung des Gegners auf dem Schlachtfeld zu lähmen und seinen Kampfeswillen zu zerstören. Zusammen mit Claudia Major und vielen anderen an der Stiftung Wissenschaft und Politik Mitarbeitenden verschleiert sie die Denkungsart, indem »Verantwortung« beschrieben wird als Verteidigung der »westlichen« Werte in der Welt. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck machte dieses Konzept zur Grundlage seines globalen Ideenentwurfs.
Die Sorge des ehemaligen US-Präsidenten Biden, der laut abgefangener Geheimdienstgespräche im Herbst 2022 vor einem Atomkrieg warnte, wird beiseitegeschoben, München 1938 beschworen und weitere Tote und Kriegsopfer in Kauf genommen.
Während Stelzenmüller scharf kritisiert, dass US-Präsident Trump schon im Vorfeld Forderungen von Putin übernehme und sogar dessen Sprachregelung, sieht Carlo Masala Putin als Gewinner, der sich nun getrost zurücklehnen dürfe und so oder so als Sieger das Feld der angekündigten Verhandlungen zwischen den USA und Russland verlassen werde. Schließlich befindet seine Armee sich in der Ukraine auf dem Vormarsch. Wenn das, was sich jetzt abzeichne, eintritt, »stehen wir in Europa vor einem neuen Krieg«, weiß Masala. »Das wird nicht mehr lange dauern. Putin wird nicht zufrieden sein, er wird weitergehen. Sie bereiten sich darauf vor, weiterzugehen.«
Alle Propagandisten solcher Thesen sprechen nach, was sie von anderen gehört haben. Im Volksmund spricht man von Nachplappern. Wie sieht es formal aus? Gibt es derartige Informationen? Antwort: »Nein!« Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), eine deutsche Nachgründung des American Council of Foreign Affairs nach 1945 unter amerikanischer Anleitung, bleibt auch nach Trumps Friedens-Deal-Vorhaben am Festhalten der Kriegspolitik orientiert. Die DGAP formuliert lediglich Annahmen für weitere von Russland angeblich geplante Angriffe auf ehemalige Sowjetrepubliken, oder gar weitergehende, gen Westen. Ein Chor der Kriegsrhetorik. Doch auch deutsche Geheimdienste tappen im Dunkeln. Und wenn man schon auf die Zuverlässigkeit der Dienste kommt, gehören die sieben US-amerikanischen noch zur besten Quellengrundlage. Wie jedes Jahr, erstellen die »Amerikaner« eine »Bedrohungsanalyse«, und für 2024 ist ihr Ergebnis, »die Russen planen keinen Angriff, sie agieren immer unterhalb der Schwelle, z. B. Cyberangriffe – anstelle eines Angriffs«. Doch Stelzenmüller bleibt dabei: »Als ob wir die Wahl hätten zwischen Krieg und Frieden«; sie glaubt, dass der hybride Krieg bereits die Schwellenüberschreitung sei, ein »Informationskrieg« und ein Krieg der gegenseitigen Destabilisierung. So etwa gibt es allerdings schon, seitdem es Mächte auf der Welt gibt, von der Antike bis zur digitalen Welt! Wer über die besseren Informationen verfügt, ist besser vorbereitet für alles! Ein solcher »Krieg« wird mit heutigen Mitteln von allen betrieben und nicht etwa, wie von den Medien falsch vermittelt, nur von Russland und China!
Zwischen der militärischen Fähigkeit und der Absicht zum Krieg ist zu unterscheiden. Nach seiner Kenntnis und Auswertung seit Jahrzehnten entstandener Verbindungen zum höchsten militärpolitischen West-Ost-Netzwerk kommt der ehemalige erste Vorsitzende des Militärausschusses der Nato, General a. D. Harald Kujat, zu dem Ergebnis, dass es eine Absicht Russlands nicht gebe. Viel spreche gegen erhobene Behauptungen, Russland werde »weitermarschieren« und Nato-Staaten überfallen. Zunächst spricht alleine ein Gedanke dagegen, dass Putin und seine Führung gerade die Nato als Gefahr sehen! Er wäre verrückt, wenn er sie angreifen würde, weil dies im Atomkrieg enden muss. Die Potenziale der Nato in Europa sind viel zu groß.
Die Ukraine verfügte im Jahr 2022 ungefähr über 400 000 Soldaten. Mit einer Armeestärke von 150 000 bis 190 000 Soldaten beim schnellen Vorrücken auf Kiew Vororte versuchte Russland, die Selenskyj-Regierung abzusetzen. Der Oppositionelle Wiktor Medwedtschuk, später verhaftet und gegen ukrainische Gefangene in Russland ausgetauscht, sollte die Amtsgeschäfte weiterführen. Zur Besetzung, so Kujat, wäre eine wesentlich größere Armee erforderlich gewesen. Zur Sicherung der vielfach kleineren DDR waren durchschnittlich 500.000 Offiziere, Soldaten und Familienangehörige auf 108.000 Quadratkilometern stationiert. Ukraine: 603.000 km². Der fast sechs Mal größere Raum bedarf einer Besatzungsarmee von enormer Größe. Zum Vergleich: Rund 3,3 Millionen deutsche Soldaten mit fast 3.650 Panzern und Sturmgeschützen, rund 600.000 Kraftfahrzeugen und etwa 3.000 Flugzeugen treten am 22. Juni 1941 zum Angriff auf die Sowjetunion an. Nicht eingerechnet die nachrückenden unterschiedlichen Einheiten von Vernichtungs- und Verfolgungstruppen, von Verwaltungspersonal zur Sicherung der Besatzung sowie die Verbündeten. Masala und andere wissen natürlich, dass ihre den »Russen« unterstellten Eroberungsfantasien Quatsch und reine Propaganda sind, Angst erzeugen, anstatt Pläne, wie man aus dem Schlamassel herauskommt. Auch der oberste Nato-General im Militärausschuss weiß aus eigener kooperativer Erfahrung mit den höchsten Offizieren in Moskau (und Kiew), dass das, was man ihnen unterstellt, sie auf alle Fälle vermeiden wollen! Den Krieg gegen die Nato und gegen Europa!