In Anwesenheit einer Delegation des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma verabschiedete der Deutsche Bundestag am 22. März eine Erklärung mit dem Titel »Antiziganismus bekämpfen«. Zur Abstimmung lagen zwei fast gleichlautende Anträge vor, die sich beide positiv zu dem Beschluss der Bundesregierung äußerten, »gemäß der in der Koalitionsvereinbarung vom 14. März 2018 zwischen CDU, CSU und SPD getroffenen Abrede und nach fachlichen Konsultationen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ein Expertengremium ein[zu]setzen, das erstmals eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen des Antiziganismus erarbeiten soll«. Dieses Gremium soll, so wünschen es die Abgeordneten sowohl von CDU/CSU und SPD als auch von FDP, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen, im Jahr 2021 einen ausführlichen Bericht mit Handlungsempfehlungen vorlegen, um Antiziganismus (Sinti und Roma diskriminierende rassistische Einstellungen und Verhaltensweisen) wirksam vorzubeugen und effektiv zu bekämpfen.
Eine gemeinsame Resolution aller fünf Fraktionen kam – zum Bedauern des Zentralrats – nicht zustande, weil die CDU/CSU-Fraktion keinen gemeinsamen Antrag mit der Linksfraktion wollte und auf einer Version bestand, in der der folgende Satz fehlte: »Der Deutsche Bundestag verpflichtet sich, jeder Form des Hasses gegen Sinti und Roma und dem Antiziganismus schon im Entstehen in aller Konsequenz entschieden zu begegnen.« Die mit den Stimmen der GroKo-Parteien (bei Enthaltung der anderen drei Parteien) verabschiedete Resolution umfasst daher nur Abschnitte, in denen der Bundestag etwas »feststellt«, etwas »begrüßt«, die Bundesregierung zu etwas »auffordert«, bei dem geplanten Expertengremium etwas »anregt«, sich aber selbst am Ende zu nichts verpflichtet.
Gegen beide Anträge stimmte die AfD-Fraktion. Ihr Sprecher Markus Frohnmaier brachte es fertig, die Bekämpfung des Antiziganismus abzulehnen und sich dabei als »Freund der Zigeuner« aufzuspielen. Zuerst wandte er sich gegen die Verwendung der Bezeichnung »Sinti und Roma«. Sie sei irreführend, werfe »alles in einen Topf« und erwecke »den Eindruck, die seit über 600 Jahren in Deutschland lebenden Sinti seien Asylsuchende, Ausländer, Bürger zweiter Klasse, die um ein Bleiberecht bitten müssen«. Offenbar ist das seine Vorstellung, wenn er das Wort »Roma« hört. Das heißt, er hat keine Ahnung und weiß nicht, dass die deutschen Roma seit dem 19. Jahrhundert hier leben. Die theatralische Frage »Wie lange müssen die Sinti also noch in Deutschland leben, bis sie von Ihnen akzeptiert werden?« schlägt also auf den sauberen »Freund« zurück. Krokodilstränen vergießend, erklärte er dann, durch Maßnahmen zur Bekämpfung des Antiziganismus würden »die Zigeuner« gegen ihren erklärten Willen in eine permanente Opferrolle gedrängt und einer »beleidigenden Bevormundung« ausgesetzt. Er benutzte dabei angebliche Äußerungen der Sinti-Allianz Deutschland, um diese gegen den Zentralrat auszuspielen. Sein Statement an die Adresse der anderen Bundestagsparteien gipfelte in der dreisten Behauptung, die Forderung nach »mehr Engagement gegen Hass im Internet« sei gleichbedeutend mit dem Ruf nach Zensur: »Sie missbrauchen die Zigeuner jetzt also auch noch dazu, um die freie Rede in Deutschland weiter einzuschränken.«
Am 27. März fand die konstituierende Sitzung der Expertenkommission »Antiziganismus« statt. Sie soll alle Erscheinungsformen des Antiziganismus erfassen. Man darf gespannt sein, ob es auch ein Kapitel über Antiziganismus im Bundestag geben wird.