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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Abschied ist ein leises Wort

Fried­rich Wolff war Straf­ver­tei­di­ger aus inne­rer Über­zeu­gung. Den Beruf hat er weit über fünf Jahr­zehn­te mit inten­si­vem Enga­ge­ment aus­ge­übt. Sei­ne vor Jah­ren erschie­ne­nen Erin­ne­run­gen »Ver­lo­re­ne Pro­zes­se« ermög­li­chen einen Ein­blick in ein beweg­tes Berufs­le­ben. Nicht weni­ge der Ver­fah­ren hat­ten poli­ti­schen Cha­rak­ter; dies betrifft nicht nur die Ankla­gen gegen den frü­he­ren bun­des­deut­schen Mini­ster Theo­dor Ober­län­der oder den Staats­se­kre­tär Hans-Maria Glob­ke, die in Abwe­sen­heit der jewei­li­gen Ange­klag­ten vor dem Ober­sten Gericht der DDR 1960 bzw. 1963 ver­han­delt wur­den, son­dern auch die Ver­tei­di­gung von Erich Hon­ecker und ande­ren ehe­ma­li­gen Polit­bü­ro-Mit­glie­dern, die nach 1990 durch die bun­des­deut­sche Justiz straf­recht­lich ver­folgt wer­den sollten.

Stets wur­de Wolff sei­ner Auf­ga­be gerecht. Natür­lich ver­band ihn nichts mit Ober­län­der und Glob­ke. Bei Erich Hon­ecker und ande­ren frü­he­ren Hoheits­trä­gern der DDR war das anders. Wolff hat­te deren poli­ti­sches Wir­ken über all die Jah­re mit­er­lebt, auch das Wer­den und Wach­sen des ersten deut­schen Arbei­ter- und Bau­ern-Staa­tes. Die Recht­set­zung und Recht­spre­chung waren ihm ver­traut, und es war sei­ne Auf­ga­be, die­se auch an die bun­des­deut­schen Rich­ter her­an­zu­tra­gen. Das tat er mit gro­ßem Enga­ge­ment und in der Über­zeu­gung von der Rich­tig­keit sei­ner Herangehensweise.

Sei­ne Man­dan­ten wuss­ten, was sie an ihm hat­ten: nicht nur den her­kömm­li­chen Ver­tei­di­ger, son­dern einen ech­ten Bei­stand, der auch die poli­ti­schen Grund­über­zeu­gun­gen der ihm anver­trau­ten Men­schen teil­te. Dabei nahm er man­ches in Kauf, was ihm an Bös­ar­tig­keit in jener Zeit durch die Medi­en ent­ge­gen­schlug. Beein­druckt hat ihn das nie, beein­flusst schon gar nicht.

Nicht ohne Grund hat sich man­cher, der in jenen Tagen durch die »neue« Justiz ver­folgt wur­de, an ihn gewandt. Die Betref­fen­den wuss­ten, dass sie bei ihm nicht nur ein offe­nes Ohr und Ver­ständ­nis fin­den wür­den, son­dern auch die best­mög­li­che Unter­stüt­zung. Wenn man bedenkt, dass Fried­rich Wolff Anfang der 1990er Jah­re bereits um die 70 Jah­re alt war, ver­dient dies umso mehr Aner­ken­nung. Da hat­ten sich man­che sei­ner Kol­le­gen aus dem Berufs­le­ben schon ver­ab­schie­det, um nicht in die juri­sti­schen Wir­ren jener Über­gangs­jah­re ver­wickelt zu werden.

Bereits vor 1989 war er zwei­fel­los eine mora­li­sche Instanz und hat sehr viel zur Her­aus­bil­dung und Prä­gung der Straf­ver­tei­di­ger­tä­tig­keit für jun­ge Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen getan. Dies nicht nur durch Auf­sät­ze in Fach­zeit­schrif­ten, son­dern durch kon­kre­te prak­ti­sche Hin­wei­se. Für mich war er Vor­bild und Rat­ge­ber zugleich und blieb das auch immer, unab­hän­gig davon, dass unse­re per­sön­li­che Freund­schaft in den letz­ten 25 Jah­ren stets enger wur­de. Man konn­te mit ihm über alle Ereig­nis­se im In- und Aus­land spre­chen. Er hat­te stets eine Mei­nung und war dabei mit­un­ter auch streitbar.

Bis ins hohe Alter ist Fritz auch mit Lesun­gen sei­ner Bücher, nicht nur in Ost­deutsch­land unter­wegs gewe­sen und war ein gefrag­ter Gesprächs­part­ner. Sein Publi­kum kann­te ihn bereits aus DDR-Zei­ten, wo er für ein knap­pes Jahr­zehnt im Fern­se­hen eine Rechts­rat­ge­ber-Sen­dung mode­rier­te. Spä­ter war er auch Gast in Talk­shows. Erst in den letz­ten Jah­ren, als er sich all­mäh­lich sei­nem 100. Lebens­jahr näher­te, muss­te er sich zurück­zie­hen. Dies weni­ger aus eige­nem Wil­len, son­dern den gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen fol­gend. Als Ossietzky-Autor hat Fried­rich Wolff Bei­trä­ge bei­gesteu­ert und nahm auch über vie­le Jah­re an den Autoren­tref­fen jeweils im Okto­ber mit gro­ßem Inter­es­se teil. Auch wenn er zuneh­mend an sein Zuhau­se gebun­den war, fühl­te er sich kei­nes­wegs abge­schnit­ten von der Welt. Sei­ne Frau unter­stütz­te ihn dabei nach besten Kräf­ten. Über­haupt war der sehr har­mo­ni­sche Umgang des Ehe­paars Wolff mit­ein­an­der immer beson­ders berüh­rend. Sie teil­ten nicht nur ihre Grund­über­zeu­gun­gen, son­dern waren in erster Linie für­ein­an­der da. Eigent­lich konn­te nie­mand ohne den ande­ren sein.

Als vor zwei Jah­ren sein 100. Geburts­tag mit rund 80 Gästen gefei­ert wur­de, war dies ein beson­de­res Jubi­lä­um, und die Anwe­sen­den brach­ten noch­mals ihre Aner­ken­nung für sein Lebens­werk zum Ausdruck.

Fritz hat zufrie­den auf sein Leben zurück­ge­blickt, war zu Recht stolz auf sei­ne Erfol­ge, aber auch dank­bar für sein fami­liä­res Glück, dass ihm immer ganz beson­ders viel bedeu­tet hat. Am 10. Juni ist er ver­stor­ben. Wir wer­den ihn in guter Erin­ne­rung behalten.