Friedrich Wolff war Strafverteidiger aus innerer Überzeugung. Den Beruf hat er weit über fünf Jahrzehnte mit intensivem Engagement ausgeübt. Seine vor Jahren erschienenen Erinnerungen »Verlorene Prozesse« ermöglichen einen Einblick in ein bewegtes Berufsleben. Nicht wenige der Verfahren hatten politischen Charakter; dies betrifft nicht nur die Anklagen gegen den früheren bundesdeutschen Minister Theodor Oberländer oder den Staatssekretär Hans-Maria Globke, die in Abwesenheit der jeweiligen Angeklagten vor dem Obersten Gericht der DDR 1960 bzw. 1963 verhandelt wurden, sondern auch die Verteidigung von Erich Honecker und anderen ehemaligen Politbüro-Mitgliedern, die nach 1990 durch die bundesdeutsche Justiz strafrechtlich verfolgt werden sollten.
Stets wurde Wolff seiner Aufgabe gerecht. Natürlich verband ihn nichts mit Oberländer und Globke. Bei Erich Honecker und anderen früheren Hoheitsträgern der DDR war das anders. Wolff hatte deren politisches Wirken über all die Jahre miterlebt, auch das Werden und Wachsen des ersten deutschen Arbeiter- und Bauern-Staates. Die Rechtsetzung und Rechtsprechung waren ihm vertraut, und es war seine Aufgabe, diese auch an die bundesdeutschen Richter heranzutragen. Das tat er mit großem Engagement und in der Überzeugung von der Richtigkeit seiner Herangehensweise.
Seine Mandanten wussten, was sie an ihm hatten: nicht nur den herkömmlichen Verteidiger, sondern einen echten Beistand, der auch die politischen Grundüberzeugungen der ihm anvertrauten Menschen teilte. Dabei nahm er manches in Kauf, was ihm an Bösartigkeit in jener Zeit durch die Medien entgegenschlug. Beeindruckt hat ihn das nie, beeinflusst schon gar nicht.
Nicht ohne Grund hat sich mancher, der in jenen Tagen durch die »neue« Justiz verfolgt wurde, an ihn gewandt. Die Betreffenden wussten, dass sie bei ihm nicht nur ein offenes Ohr und Verständnis finden würden, sondern auch die bestmögliche Unterstützung. Wenn man bedenkt, dass Friedrich Wolff Anfang der 1990er Jahre bereits um die 70 Jahre alt war, verdient dies umso mehr Anerkennung. Da hatten sich manche seiner Kollegen aus dem Berufsleben schon verabschiedet, um nicht in die juristischen Wirren jener Übergangsjahre verwickelt zu werden.
Bereits vor 1989 war er zweifellos eine moralische Instanz und hat sehr viel zur Herausbildung und Prägung der Strafverteidigertätigkeit für junge Kolleginnen und Kollegen getan. Dies nicht nur durch Aufsätze in Fachzeitschriften, sondern durch konkrete praktische Hinweise. Für mich war er Vorbild und Ratgeber zugleich und blieb das auch immer, unabhängig davon, dass unsere persönliche Freundschaft in den letzten 25 Jahren stets enger wurde. Man konnte mit ihm über alle Ereignisse im In- und Ausland sprechen. Er hatte stets eine Meinung und war dabei mitunter auch streitbar.
Bis ins hohe Alter ist Fritz auch mit Lesungen seiner Bücher, nicht nur in Ostdeutschland unterwegs gewesen und war ein gefragter Gesprächspartner. Sein Publikum kannte ihn bereits aus DDR-Zeiten, wo er für ein knappes Jahrzehnt im Fernsehen eine Rechtsratgeber-Sendung moderierte. Später war er auch Gast in Talkshows. Erst in den letzten Jahren, als er sich allmählich seinem 100. Lebensjahr näherte, musste er sich zurückziehen. Dies weniger aus eigenem Willen, sondern den gesundheitlichen Einschränkungen folgend. Als Ossietzky-Autor hat Friedrich Wolff Beiträge beigesteuert und nahm auch über viele Jahre an den Autorentreffen jeweils im Oktober mit großem Interesse teil. Auch wenn er zunehmend an sein Zuhause gebunden war, fühlte er sich keineswegs abgeschnitten von der Welt. Seine Frau unterstützte ihn dabei nach besten Kräften. Überhaupt war der sehr harmonische Umgang des Ehepaars Wolff miteinander immer besonders berührend. Sie teilten nicht nur ihre Grundüberzeugungen, sondern waren in erster Linie füreinander da. Eigentlich konnte niemand ohne den anderen sein.
Als vor zwei Jahren sein 100. Geburtstag mit rund 80 Gästen gefeiert wurde, war dies ein besonderes Jubiläum, und die Anwesenden brachten nochmals ihre Anerkennung für sein Lebenswerk zum Ausdruck.
Fritz hat zufrieden auf sein Leben zurückgeblickt, war zu Recht stolz auf seine Erfolge, aber auch dankbar für sein familiäres Glück, dass ihm immer ganz besonders viel bedeutet hat. Am 10. Juni ist er verstorben. Wir werden ihn in guter Erinnerung behalten.