In der Lüneburger Heide nennt mensch mich einen gewerkschaftlichen und friedenspolitischen Aktivisten. Immer mal wieder erhalte ich Presseanfragen, wenn engagierte RedakteurInnen etablierter Medien ihre Berichterstattung mit kritischen Einschätzungen jenseits des Mainstreams anreichern wollen. So war ich nicht überrascht, als sich eine Mitarbeiterin des hannoverschen Ablegers des in Nord- und Ostdeutschland publizistisch dominanten Madsack-Konzerns (Redaktionsnetzwerk Deutschland) sich bei mir anlässlich der forcierten deutschen Aufrüstung nach Informationen und Einschätzungen zum Rheinmetallkonzern erkundigte, der in Unterlüß im Kreis Celle eine Rüstungsproduktion mit 2000 Beschäftigten und einem großen Waffentestgelände betreibt, den größten privaten Schießplatz Europas.
Ich versorgte die Journalistin mit vielfältigen Informationen über Rheinmetall und den Widerstand der Friedensbewegung, mit Kontaktadressen und Internet-Links über das bundesweite Bündnis »Rheinmetall entwaffnen«, das seit mehreren Jahren nicht nur in Unterlüß mit Protestcamps, Diskussionen, Demonstrationen und Blockaden gegen Rheinmetalls Geschäft mit dem Tod mobilisiert. Ich informierte sie über die »Friedensaktion Lüneburger Heide«, die in der Region seit gut zwei Jahren mit Mahnwachen, Demonstrationen und Kundgebungen darauf aufmerksam macht, dass die Heide die am stärksten militarisierte Region Deutschlands ist, und die dafür wirbt, den einst von den Nazis gegen lokalen Widerstand durchgesetzten Truppenübungsplatz zwischen Bergen und Bad Fallingbostel in ein ökologisch und zivilwirtschaftlich attraktives Biosphärenreservat umzuwandeln.
»Pumas aus der Heide« – als der Artikel am 6. April in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) mit einem martialischen Foto des von Rheinmetall vertriebenen Schützenpanzers »Puma« erschien, war ich nach anfänglicher Freude – der Bericht füllte immerhin eine ganze Zeitungsseite – enttäuscht und desillusioniert über dessen Informationsgehalt. Das Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« wird in dem langen Artikel überhaupt nicht erwähnt. Antimilitaristische Kritik an Rheinmetall wird nur kurz benannt, aber dass dahinter ein breites Bündnis mit viel Recherche und ständigem Einsatz steckt, davon erfahren HAZ-Lesende nichts.
Dafür wird in einem kleinen Zusatzartikel aus Bremen, überschrieben mit »Rheinmetall-Gebäude mit Flüssigkeit beworfen«, auf radikale Rheinmetall-GegnerInnen hingewiesen. Aus der Rheinmetall-Gegnerschaft werde einzig ich mit einem Konversionsvorschlag zitiert: »Statt Kriegsware könnten die hochqualifizierten Rheinmetall-Beschäftigten in Unterlüß High-Tech-Geräte fürs Gesundheitswesen und erneuerbare Energie entwickeln und produzieren.« Und dann wird plus Foto noch ein kirchlich engagiertes Paar als moderat und »nicht-konfrontativ« und »kritisch, aber konstruktiv« vorgestellt. Dass damit die Haltung zu Rheinmetall gemeint ist, kann erahnt werden, denn das Foto mit dem Paar in der Kirche zeigt sie mit einem Kreuz aus Geschosshülsen, und die Kirche in Unterlüß heißt »Friedenskirche«.
Am Ende der HAZ-Seite geht es um die Erinnerung an Zwangsarbeit bei Rheinmetall. Dass für diese Erinnerungsarbeit in Unterlüß das Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« die entscheidenden Impulse gesetzt hat, erfahren die HAZ-LeserInnen nicht.
An anderer Stelle (im Zusammenhang mit mir) wird im Artikel hervorgehoben, dass keine Mitglieder der »Friedensaktion Lüneburger Heide« in Unterlüß wohnen. Ausführlich zu Wort kommen der Bürgermeister von Unterlüß und ehemalige Rheinmetallbeschäftigte, die die angebliche Sinnhaftigkeit der Rüstungsproduktion schönreden. Hervorgehoben wird auch, dass die deutsche Aufrüstung in Unterlüß neue Arbeitsplätze schaffen werde, dass Rheinmetall Werkswohnungen gebaut hat und örtliche Vereine sponsert.
Wo bleibt das Positive? Mein Fazit fällt bescheiden aus: Immerhin erfahren die Leser der vielen Madsack-Konzernblätter, dass versteckt in einem Kiefernwald der Lüneburger Heide ein großer Rüstungskonzern Mordgeräte und Geschosse für die Schlachtfelder dieser Welt baut, dass dessen Aktionäre sich über den kräftig gestiegenen Aktienkurs freuen dürfen und dass Wölfe und Birkhühner sich vom Schießlärm nicht erschrecken lassen. Die Gegner dieser »beutegierigen Cannaille«, »die auf Krieg spekuliert« (Carl von Ossietzky) aber müssen wohl komische Leute von ganz woanders sein, und die sind ungehobelt radikal in ihren Forderungen und ihrem Verhalten. Vor Ort dagegen weiß der Konzernbericht nur lauter Positives über Rheinmetall zu berichten.
Der Autor ist DGB-Vorsitzender im Heidekreis