Zuschriften an die Lokalpresse
Aufeinanderfolgende Quizsendungen mit prominenten Schauspielern, professionellen Spaßmachern, bewunderten Lockenwicklern und gewollten Schlaubergern sind im Moment offensichtlich die Füllsel für die meisten Fernsehnachmittage, während am Abend auf allen Sendern die Kommissare zu ihren Waffen greifen, um die in den späteren Abendstunden parallel über die Bildschirme laufenden politischen Plaudereien abzusichern. Es ist schon interessant, durch Fragesendungen immer wieder Dinge zu erfahren, die keiner braucht. Sie können aber bei älteren Mitbürgern auch dazu beitragen, die schleichende Demenz ein wenig zu verlangsamen. Anspruchsvolle Filme und gute Reportagen werden dagegen meistens nach Mitternacht angeboten, wenn es draußen sowieso finster und kalt ist und sich die meisten lieber hinter ihren Kopfkissen verstecken. Ich finde diese kanalübergreifende Programmgestaltung gut, weil sie den Bürgerinteressen besser Rechnung trägt und sich kaum jemand verschalten kann. – Pardon, jetzt muss ich meinen Leserbrief erst einmal unterbrechen, denn ich muss mich zwischen Alexander Bommes »Gefragt, gejagt«, Kai Pflaumes »Wer weiß denn sowas?« und Jörg Pilawas olympischem Fragequiz entscheiden. Oder fällt Ihnen noch eine bessere Alternative ein? – Martha Münchhausen (56), Beiköchin, 63500 Seligenstadt
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Schön, dass sich die Werbung immer wieder etwas Neues und Originelles einfallen lässt! Wie die Berliner Zeitung am 25. Januar auf ihrer »Panorama«-Seite berichtete, hat die japanische Nudelfirma »Nissin« ein neues Werbegesicht für ihre Teigwaren entdeckt. Es ist das der Tennisspielerin Naomi Osaka, im Werbespot als Zeichentrickfigur dargestellt. Da sich Osakas dunkler Teint von den blassen Nudelstrippen jedoch zu stark abhebt, hat der Konzern ihre Haut im Zeichentrick-Werbespot »aufgehellt«. Über diese Art des »Whitewashings« hat sich die Werbe-Ikone nun beschwert, und die zuständigen Fachleute haben sich bei ihr entschuldigt. Sie wollen die »Diversität« bei ihren PR-Aktivitäten künftig »respektieren«, verrät die Zeitung. Ich weiß zwar nicht, ob Osaka mit der Antwort zufrieden ist. Die Sportlerin hat aber gezeigt, dass man selbst in der Werbung nicht alles hinnehmen muss. Als erfahrener Unternehmer in der Lebensmittelbranche würde mich noch interessieren, wie sich inzwischen der Verkauf von Nissins Nudeln entwickelt hat. – Archibald Mostrich (75), Einzelhandelskaufmann a. D., 39615 Werben
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Am 11. Januar berichteten die Zeitungen darüber, dass ein ICE-Lokführer »in trunkenem Zustand an Wittenberg vorbeigerauscht« ist (nd). Der Zug ist zwar auf dem Gleis geblieben, aber er hat nicht gehalten. Das ist nicht zum ersten Mal passiert, sondern in Wolfsburg schon mehrmals, auch in Ludwigslust wurde schon versehentlich nicht gehalten; aber man sollte den Vorfall nicht nur feststellen, sondern auch nach den Gründen fragen. Die Bahn wurde in letzter Zeit häufig wegen ihrer Zugausfälle und Verspätungen kritisiert, und das verstößt gegen die Berufsehre der Schienenbezwinger. Vielleicht wollte der Lokführer etwas dagegen unternehmen, wie das bei der Berliner S-Bahn durch das Überspringen von Stationen auch schon versucht worden ist, um »Verzögerungen im Betriebsablauf« (Bahnjargon) abzubauen. Dass sich der ICE-Kapitän dafür etwas Mut antrinken wollte, ist zwar nicht zu akzeptieren, aber doch irgendwie zu verstehen. Deshalb sollte man nicht päpstlicher als der Bahnchef mit ihm umgehen. Das nächste Mal hält er dann vielleicht! – Hilmar Brausewetter (42), Administrator, 45721 Haltern am See