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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wie die USA Europa eroberten

Wie Russ­land in eine stra­te­gi­sche Fal­le geriet, zeich­net der Erzie­hungs­wis­sen­schaft­ler und Ana­lyst der neo­li­be­ra­len Glo­ba­li­sie­rung, Georg Auern­hei­mer, in sei­nem Buch »Die stra­te­gi­sche Fal­le. Die Ukrai­ne im Welt­ord­nungs­krieg« nach. Er setzt sich dar­in mit Mythen und Nar­ra­ti­ven aus­ein­an­der, wie jenen, Russ­land habe die Ukrai­ne ohne Anlass und aus impe­ria­lem Groß­macht­den­ken über­fal­len, der Krieg sei ein nicht »pro­vo­zier­ter Angriffs­krieg«. Dass die ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten aus histo­ri­schen Erfah­run­gen der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on miss­trau­ten, und sie sich im Wesent­li­chen des­halb der Nato zuwand­ten, fin­det der Autor nach­voll­zieh­bar. Die USA und die Nato-Staa­ten grif­fen den Wunsch einer Nato-Inte­gra­ti­on auf. Der Wei­ter­bau von Frie­dens­ord­nung und Gemein­sa­mer Sicher­heit schei­ter­te. Statt­des­sen kün­dig­te man Abrü­stungs­ver­trä­ge mit Russ­land und setz­te auf mili­tä­ri­sche Inter­ven­ti­on und Kriege.

Russ­land sah sich mehr und mehr bedroht, zumal die USA und die Nato in der Zwi­schen­zeit weit­rei­chen­de atom­waf­fen­fä­hi­ge Rake­ten an der Ost­gren­ze der EU sta­tio­niert hat­ten. Die­se Maß­nah­me wer­te­te Russ­land als neue Bedro­hung und wei­te­re Gefähr­dung sei­ner Sicherheit.

Die Ent­wick­lun­gen skiz­ziert der Autor mit einem beson­de­ren Fokus auf den »Euro-Mai­dan« 2014 als unmit­tel­ba­re Vor­ge­schich­te des rus­si­schen Angriffs. Auern­hei­mer legt neue Doku­men­te vor, die in sei­ne The­se mün­den, dass die US-Admi­ni­stra­ti­on sich des Natio­na­lis­mus in der Ukrai­ne bedie­ne, um Russ­land in eine Fal­le zu locken. Ohne Zwei­fel gibt es vie­le Ansatz­punk­te, um über den ukrai­ni­schen Natio­na­lis­mus zu reflek­tie­ren. Eine gründ­li­che Erfor­schung die­ses extre­men Natio­na­lis­mus ist eine gro­ße Lee­stel­le – bis heu­te –, umso ein­fa­cher sind die Mythen von »euro­päi­schen Wer­ten« zu ver­brei­ten. Bestehen die nicht eigent­lich in Auf­klä­rung, Frei­heit, Brü­der­lich­keit, Gleich­heit und dar­aus fol­gen­den, erkämpf­ten Rechten?

Auch um die »Mins­ker Abkom­men« 2014/​15 wabern Mythen und Nar­ra­ti­ve, OSZE-Pro­to­kol­le wer­den ein­sei­tig aus­legt. In Wirk­lich­keit fehl­te es jedoch am Wil­len zur Ver­stän­di­gung, so die Gegen­the­se. Wer also Doku­men­te und begrün­de­te Zwei­fel an der Main­stream-Pro­pa­gan­da ken­nen­ler­nen will, der grei­fe zu dem Buch.

Auch das Buch von Gün­ter Ver­heu­gen und Petra Erler belegt an zahl­rei­chen Quel­len aus US-ame­ri­ka­ni­schen Archi­ven die Ver­ant­wor­tung vor allem der Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Deutsch­lands für die krie­ge­ri­schen Eska­la­tio­nen seit den 1990er Jah­ren. Die Autoren legen eine aus­ge­zeich­ne­te Ana­ly­se für die Ent­ste­hung der geo­po­li­ti­schen Inbe­sitz­nah­me der Ukrai­ne dar, unter Füh­rung der Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Die setz­ten auf Kon­fron­ta­ti­on und Macht­stre­ben anstel­le von Ver­stän­di­gung und Koope­ra­ti­on. Russ­land, das sich unter der ersten Prä­si­dent­schaft sta­bi­li­sier­te, reagier­te dar­auf letzt­lich mit mili­tä­ri­scher Inter­ven­ti­on, mit dem Ziel der Kon­so­li­die­rung rus­si­scher Macht­am­bi­tio­nen. Der Angriff auf die Ukrai­ne war eine Mischung dar­aus und jahr­zehn­te­lan­ger Miss­ach­tung rus­si­scher For­de­run­gen nach Gesprä­chen über Bedro­hungs­la­gen und Sicher­heits­fra­gen, die sich ihnen auf­grund der Nato-Expan­si­on stell­ten. Sehr lesenswert!

Ja, Putin und das rus­si­sche Mili­tär haben Völ­ker­recht gebro­chen; ja, Ver­tei­di­gung ist nach der UNO-Char­ta und unse­rem Grund­ge­setz erlaubt. Aber nicht end­lo­ses Mor­den. Völ­ker­rechts­brü­che gibt es nicht erst seit den 1990er Jah­ren. Und hier stellt sich immer wie­der die Fra­ge, was haben die Regie­ren­den in Euro­pa getan, um die Gemein­sa­me Sicher­heit aus­zu­bau­en? Die Ant­wort hängt unab­ding­bar mit den Ent­wick­lun­gen und Macht­be­stre­bun­gen zusam­men, seit die USA das Welt­ge­sche­hen domi­nie­ren. Das zeigt, dass die Char­ta von Paris für ein neu­es Euro­pa (so heißt sie!!) von Anfang an über­mäch­ti­ge Geg­ner hat­te, die impe­ria­le Ideen ver­fol­gen. Frie­den kann nur gelernt wer­den, wenn die Zusam­men­hän­ge bekannt sind, das Gemein­sa­me gepflegt, die Viel­falt geach­tet und dem Guten und Schö­nen Sinn gege­ben wird.

Georg Auern­hei­mer: Die stra­te­gi­sche Fal­le. Die Ukrai­ne im Welt­ord­nungs­krieg, Papy­Ros­sa Ver­lag, Köln 2024, 191 S., 16,90 €.

Gün­ter Ver­heu­gen, Petra Erler: Russ­land, die Ukrai­ne und der Westen: Eska­la­ti­on statt Entspannung, 

Wil­helm Hey­ne Ver­lag, Mün­chen 2024, 336 S., 24 €.