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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Engels und die jungen Wilden

Der jun­ge Fried­rich Engels, sei­ne Ent­wick­lung in Bar­men und sein Wer­den zum spä­te­ren füh­ren­den Kom­mu­ni­sten der Grün­dungs­pe­ri­ode die­ser Bewe­gung ist trotz der Fül­le von Büchern über den welt­weit wohl bekann­te­sten Wup­per­ta­ler noch viel zu wenig beschrie­ben wor­den. Der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler und Histo­ri­ker Dirk Krü­ger hat die Lücke gefüllt und in sei­nem aktu­el­len Buch einen Schwer­punkt auf die ersten Lebens­jahr­zehn­te von Fried­rich Engels gelegt und auf sei­ne Prä­gung in Bar­men; am 26. März ist es in Wup­per­tal auf einer gut besuch­ten Ver­an­stal­tung vor­ge­stellt wor­den. Sei­ne Arbeit ist aus min­de­stens drei Grün­den wichtig.

Zum einen wird Engels häu­fig nur als eine Art Copi­lot von Karl Marx gese­hen und er hat dazu auch selbst durch sei­ne Bemer­kung bei­getra­gen, er hät­te im Kon­zert der jun­gen kom­mu­ni­sti­schen Bewe­gung immer nur die »zwei­te Vio­li­ne«[1] gespielt. Die­se Ein­ord­nung aber tut ihm unrecht, weil er – Marx ein­mal für zehn Sekun­den weg­ge­dacht – der über­ra­gen­de Kopf des wis­sen­schaft­li­chen Sozia­lis­mus war. Es steckt dar­in eine lei­se Gering­schät­zung, die uns heu­te mög­li­cher­wei­se den Blick auf sei­ne eigen­stän­di­gen Wer­ke ver­stellt, von denen im besag­ten Buch vor allem sein erstes – die Betrach­tung über »Die Lage der arbei­ten­den Klas­se in Eng­land« – aus­führ­lich gewür­digt wird. Fried­rich Engels war aber auch in den Jahr­zehn­ten nach sei­nem Zusam­men­tref­fen mit Marx der Schöp­fer von Wer­ken, die heu­te noch unent­behr­lich sind für das Ver­ständ­nis der Welt – wie sei­ne »Dia­lek­tik der Natur«.

Zwei­tens gibt es zur­zeit ein spür­bar anwach­sen­des Inter­es­se an Marx und Engels unter jün­ge­ren Men­schen auch hier in Deutsch­land. Wer bei­spiels­wei­se im Janu­ar 2024 mit den 3700 ande­ren Men­schen an der Rosa-Luxem­burg-Kon­fe­renz der Tages­zei­tung jun­ge Welt teil­ge­nom­men hat oder tags dar­auf an der sich anschlie­ßen­den Lieb­knecht-Luxem­burg-Demon­stra­ti­on von 12.000 Men­schen, wird Tau­sen­de jun­ge Men­schen erlebt haben, die sich auf den Weg machen, in Euro­pa nach der »Pari­ser Kom­mu­ne« und dem rea­len Sozia­lis­mus von 1917 bis 1989 den drit­ten Anlauf zum Sozia­lis­mus zu orga­ni­sie­ren. Es wäre fatal, wenn die­se jun­gen Men­schen Engels vor allem als einen alten Mann mit Bart vor dem gei­sti­gen Auge hät­ten. Er war – wie sie – vor allem ein jun­ger Wil­der, der erst alles ver­ste­hen und dann alles ver­än­dern woll­te. Die­sen »jun­gen Engels« ins Zen­trum zu rücken, ist daher ein gro­ßes Verdienst.

Die, die jetzt in Bewe­gung gera­ten, tun das unter der dop­pel­ten Bedro­hung von Krieg und Kli­ma­kri­se. Das ist der drit­te Grund dafür, Fried­rich Engels wie­der mehr ins Zen­trum der Debat­ten zu holen. Denn er hat sich zu Recht einen beson­de­ren Ruf erwor­ben als der­je­ni­ge der bei­den Freun­de, der sich vor allem mit Fra­gen des Krie­ges und der Natur befasst hat. Auf bei­den Gebie­ten hat sich in den ver­gan­ge­nen 180 Jah­ren viel ver­än­dert. Wer aber die Grund­la­gen aller Pro­zes­se von Krieg und von Umwelt ver­ste­hen will, wird das ohne die Hil­fe von Engels nicht kön­nen. Auf ihn auf­merk­sam zu machen, ist daher von gro­ßer Aktualität.

Die gesam­te Kli­ma­de­bat­te kann aus mar­xi­sti­scher Sicht nur in der Wech­sel­wir­kung von natur- und gesell­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen frucht­bar geführt wer­den – ange­fan­gen von der Fra­ge, ob wir es mit einer Kli­ma­kri­se oder mit einer Kli­ma­ka­ta­stro­phe zu tun haben bis hin zur der Fra­ge, ob es zum Erhalt oder in immer mehr Regio­nen der Welt sogar zur Wie­der­her­stel­lung der natür­li­chen mensch­li­chen Lebens­grund­la­gen der Über­win­dung des kapi­ta­li­sti­schen Pro­fit­sy­stems bedarf oder nicht. Eine von die­ser Wech­sel­wir­kung abge­lö­ste, ver­meint­lich rein natur­wis­sen­schaft­li­che Debat­te um die Kli­ma­fra­gen führ­te per se auf Holz­we­ge und in die Sümp­fe. Wer Engels zur Hand nimmt, wird davor bewahrt werden.

Buch­hin­weis: Dirk Krü­ger, Der jun­ge Engels aus der Sicht der Kom­mu­ni­sten heu­te, UZ Edi­ti­on /​ Comm­Press Ver­lag, März 2024, 104 Sei­ten, 8 €.

 [1]     Marx Engels Wer­ke (MEW), Band 36, S. 218