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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Sagen, was ist

Wie kommt es, dass Kräf­te und Par­tei­en, die einst in der Hoch-Zeit der Frie­dens­be­we­gung wich­tig waren, um den Erfolg des Ver­tra­ges über die Ver­nich­tung ato­ma­rer Mit­tel­strecken­ra­ke­ten in Euro­pa mög­lich zu machen, heu­te mehr­heit­lich den Nato-Nar­ra­ti­ven fol­gen und die Atom-/ und Hoch­rü­stung sowie die Span­nungs­es­ka­la­ti­on stützen?

Damals sag­te der Sozi­al­de­mo­krat Erhard Epp­ler auf der ersten der gro­ßen Frie­dens­de­mon­stra­tio­nen in der Bun­des­haupt­stadt Bonn 1981: »Der Frie­de ist eine viel zu ern­ste Sache, als dass man ihn mili­tä­ri­scher Stra­te­gie und poli­ti­scher Tak­tik, den Rake­ten­zäh­lern und Lob­by­isten über­las­sen dürf­te. (…) Wir las­sen uns nicht ein­schüch­tern. (…) Wir haben kei­ne Angst vor mora­li­scher Abqua­li­fi­zie­rung durch den höch­sten Reprä­sen­tan­ten unse­res Staa­tes.« Der Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger Hein­rich Böll erklär­te: »Den Krieg, wie ihn die Sowjet­uni­on erlebt hat, möch­te offen­bar kei­ner mehr sehen. (…) Es ist kalt gewor­den. (…) Die Poli­ti­ker haben ja die Wahl, uns zu apa­thi­schen Zyni­kern zu machen. (…) Sie kön­nen es haben, sie kön­nen eine gelähm­te Bevöl­ke­rung (…) haben, die gelähmt ist von die­sen Waf­fen­pe­sten und Waf­fen­zah­len. Wir wol­len uns nicht lähmen!«

Die Grü­ne Petra Kel­ly erklär­te: »Die­se Erde hat kei­nen Not­aus­gang – schon heu­te sind Mili­tär und Rüstung die größ­ten Ver­schwen­der von Ener­gie, Roh­stof­fen, mensch­li­cher Fan­ta­sie und Arbeit, von Gütern, die bei der Ret­tung von Hun­gern­den und bei der För­de­rung sozia­ler Gerech­tig­keit feh­len.« Die Spit­zen der Bünd­nis­grü­nen und der SPD haben all das hin­ter sich gelas­sen. Als nun Rolf Müt­zenich über Alter­na­ti­ven zur immer wei­te­ren Eska­la­ti­on des Krie­ges sprach, warn­te die Vor­sit­zen­de der Bünd­nis­grü­nen, Frau Lang, vor einem »Rück­fall in die alte Russ­land-Poli­tik der Sozi­al­de­mo­kra­tie«. Sie erklärt die Ent­span­nungs­po­li­tik der SPD zum Feh­ler. Dabei hat die­se Poli­tik mit zur fried­li­chen Ver­ei­ni­gung der bei­den deut­schen Staa­ten, zur Abrü­stung land­ge­stütz­ter Atom­ra­ke­ten in Euro­pa und zur Been­di­gung des Kal­ten Krie­ges geführt. Wil­ly Brandt bekam für die Ost­po­li­tik den Friedensnobelpreis.

Die heu­ti­ge Situa­ti­on ist dem­ge­gen­über ein Ergeb­nis des Bruchs des Ver­tra­ges zum Bei­tritt der DDR zum Gel­tungs­be­reich des Grund­ge­set­zes, der von den Signa­tar­staa­ten ver­langt, eine Frie­dens­ord­nung auf­zu­bau­en, in der die Sicher­heits­in­ter­es­sen »eines jeden«, also auch der Sowjet­uni­on, respek­tiert wer­den. Jens Stol­ten­berg erklär­te im Dezem­ber 2023 im EU-Par­la­ment, dass Russ­land mit die­sem Krieg die Nato-Bestre­bun­gen der Auf­nah­me der Ukrai­ne ins west­li­che Mili­tär­bünd­nis ver­hin­dern woll­te. Michail Gor­bat­schow erklär­te im Buch Wor­auf es jetzt ankommt 2019: »Doch das gegen­sei­ti­ge Ver­trau­en, das mit dem Ende des Kal­ten Krie­ges gewach­sen war, wur­de dann (…) schwer erschüt­tert – durch die Ent­schei­dung der Nato, sich nach Osten aus­zu­deh­nen. Und Russ­land konn­te dar­auf kei­ne Ant­wort finden.«

All die­se Fak­ten wider­spre­chen den Nar­ra­ti­ven der Nato-Lob­by, Russ­land exer­zie­re in der Ukrai­ne einen impe­ria­li­sti­schen Angriffs­krieg aus Macht­in­ter­es­sen, und wenn wir es nicht zurück­schla­gen, steht es bald vor Ber­lin oder gar am Rhein …

Wie hat die Nato-Kriegs­pro­pa­gan­da die­se Kehrt­wen­de in den einst rot­grü­nen Par­tei­en und in der Öffent­lich­keit bis weit in alter­na­ti­ve Bewe­gun­gen und die Links­par­tei hin­ein geschafft? 2015 führ­te die Nato-Stra­te­gie­schmie­de Joint Air Power Com­pe­tence Cent­re eine Kon­fe­renz unter dem Titel »Stra­te­gic Com­mu­ni­ca­ti­on« in der Mes­se Essen durch. Im Ein­la­dungs­schrei­ben beklag­te sie noch: Es gebe Kräf­te, die der Nato gegen­über feind­lich ein­ge­stellt sei­en (enti­ties hosti­le to Nato). Sie schü­ren erfolg­reich Vor­be­hal­te gegen Ope­ra­tio­nen der Mili­tärs in der Bevöl­ke­rung – so der Text.

Im Vor­be­rei­tungs­ma­nu­skript der Kon­fe­renz (Read Ahead) lasen die Teil­neh­men­den: »Im Irak­krieg im Jahr 2003 mach­te die Bush-Regie­rung einen gro­ßen stra­te­gi­schen Feh­ler, indem sie auf den Besitz von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen durch das Regime von Sad­dam Hus­sein ver­wies. In den 1990er Jah­ren, führ­te Sad­dam Hus­sein ein Mas­sen­mord­pro­gramm durch, dem bis zu 250.000 Ira­ker in Fol­ter­kam­mern und auf den rie­si­gen Tötungs­fel­dern zum Opfer fie­len. Wenn die Bewei­se für Sad­dam Hus­s­eins Gräu­el­ta­ten publik gemacht wor­den wären, wäre die öffent­li­che Unter­stüt­zung für den Krieg sehr viel stär­ker gewe­sen.« Das Pro­blem war für die Stra­te­gen nicht die Unwahr­heit, da es die­se Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen im Irak nicht gege­ben hat­te, sie sahen das Pro­blem nicht im Völ­ker­rechts­bruch, son­dern in der feh­len­den Akzep­tanz des Krie­ges in der Weltöffentlichkeit.

Im Aus­wer­tungs­ma­nu­skript der Tagung Con­fe­rence Pro­ce­e­dings kamen die Stra­te­gen dann zu der Schluss­fol­ge­rung: Man sei sich einig gewe­sen, dass Geschich­ten dann eine maxi­ma­le Wir­kung haben, wenn sie eine mensch­li­che Dimen­si­on auf­wei­sen und wenn sie von den­je­ni­gen erzählt wer­den, die ins Herz des Gesche­hens ver­wickelt waren. Ein­sät­ze im Irak und in Afgha­ni­stan hät­ten gezeigt, dass es ein äußerst effek­ti­ves Mit­tel sei, die Pro­fes­sio­na­li­tät, den Mut und die Füh­rungs­qua­li­tä­ten von oft sehr jun­gen Mili­tär­an­ge­hö­ri­gen hervorzuheben.

Es ging auch um die Fra­ge, ob Face­book, Twit­ter oder Blogs in die Stra­te­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on ein­be­zo­gen wer­den. Wenn Geschich­ten über gut aus­ge­bil­de­te, moti­vier­te jun­ge Men­schen, die Fan­ta­sti­sches und unter schwie­ri­gen Umstän­den lei­sten, erzählt wer­den, dann über­wie­gen die Vor­tei­le des Ein­be­zugs die­ser Medien

Stra­te­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on unter­schei­det sich von mensch­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on dadurch, dass die Ziel­per­so­nen, mög­lichst, ohne es zu mer­ken, in eine bestimm­te Denk­rich­tung getrie­ben wer­den und glau­ben, sie sei­en gut infor­miert. Kom­mu­ni­ka­ti­on ist im huma­ni­sti­schen Sinn mensch­lich, wenn sie die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner ernst nimmt und ohne ver­bor­ge­ne Absich­ten mit Halb­wahr­hei­ten und dop­pel­ten Stan­dards frei und ehr­lich – ohne Fil­ter – sagt, was ist.