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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mutter Gewerkschaft …

»Mut­ter Cou­ra­ge und ihre Kin­der« ist ein Dra­ma von Ber­tolt Brecht. Es wur­de 1938/​39 im schwe­di­schen Exil ver­fasst. 1941 wur­de es in Zürich urauf­ge­führt. Es spielt im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg zwi­schen 1624 und 1636. Erzählt wird die Geschich­te der Mar­ke­ten­de­rin Anna Fier­ling, genannt Mut­ter Cou­ra­ge, die ver­sucht, ihr Geschäft mit dem Krieg zu machen, und dabei ihre drei Kin­der ver­liert. Das Gesche­hen kann als War­nung an die klei­nen Leu­te ver­stan­den wer­den, die hof­fen, durch geschick­tes Han­deln vom Krieg zu pro­fi­tie­ren. Doch Brecht will mehr: Er will Abscheu vor dem Krieg aus­lö­sen und die Ableh­nung des Kapi­ta­lis­mus bewir­ken, der ihn hervorbringt.

Ganz am Schluss einer mitt­le­ren Sze­ne lässt sich Mut­ter Cou­ra­ge zu dem Satz hin­rei­ßen: »Der Krieg soll ver­flucht sein.« Die Anti­the­se zum Schluss­satz die­ses sech­sten Bil­des folgt sofort zu Beginn des sieb­ten: »Ich lass mir von euch den Krieg nicht madig machen«, so die Fier­ling. Der Krieg ist ihr Geschäft, auch wenn sie und ihre Kin­der dar­an zu Grun­de gehen.

Ein Thea­ter­stück oder eine Erzäh­lung »Mut­ter Gewerk­schaft und ihre Mit­glie­der« ist heu­te fäl­lig. Am Anfang steht das Jahr 1999. Da wur­de Deutsch­land wie­der zu einer krieg­füh­ren­den Nati­on. Krieg gegen Jugo­sla­wi­en. Bis dahin galt der Satz in den Gewerk­schaf­ten: »Der Krieg soll ver­flucht sein.« Jetzt galt. »Wir las­sen uns den Krieg nicht madig machen«, denn es war ja auch der Krieg der Sozi­al­de­mo­kra­tie. Es war eine Lage wie 1914. Ein hoher CDU-Poli­ti­ker hat­te for­mu­liert: Nach der Besei­ti­gung der Fol­gen des Zwei­ten Welt­kriegs müs­se man nun an die Besei­ti­gung der Fol­gen des Ersten Welt­kriegs herangehen.

Der neue Krieg um die Neu­ord­nung Euro­pas im Sin­ne des west­li­chen Nato-Kapi­ta­lis­mus begann. Er wur­de in der Ukrai­ne fort­ge­setzt, vom Vor­ge­hen Russ­lands gestei­gert. Soll­te der Westen sei­ne Betei­li­gung an dem Krieg zugun­sten der Ukrai­ne ver­stär­ken, so wür­de Russ­land laut sei­nem Prä­si­den­ten, »alle uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel ein­set­zen, um Russ­land zu schüt­zen – das ist kein Bluff«. Sogar die Süd­deut­sche mahn­te ange­sichts die­ser ato­ma­ren Dro­hung, die sich seit­dem mehr­fach wie­der­hol­te: »Viel­leicht soll­ten sich die Staats­män­ner bei aller Ver­ur­tei­lung des Krie­ges auch mal an die Mög­lich­keit eines Ver­hand­lungs­frie­dens erinnern?«

Die­se Mah­nung wur­de und wird von der Mehr­heit der Gewerk­schafts­füh­run­gen nicht geteilt. Ich fand die fol­gen­de Mel­dung, als ich an Wil­li Hoff­mei­sters Buch »Die Faust nicht nur in der Tasche bal­len« mit­ar­bei­te­te; sie befand sich in den Unter­la­gen des Gewerk­schaf­ters und Frie­dens­ak­ti­vi­sten. Ein alar­mie­ren­des Doku­ment bereits aus der Zeit der Schrö­der­schen Kanz­ler­schaft. Es besag­te, dass der IG Metall-Vor­stand im Juli 2012 beschloss: »Die IG Metall ist sich der Rea­li­tät Anfang des 21. Jahr­hun­derts bewusst: Gewalt­kon­flik­te und sogar Krie­ge wird es wei­ter­hin geben und damit auch die sicher­heits­po­li­ti­schen Bedürf­nis­se und Inter­es­sen von Men­schen, Staa­ten und Staa­ten­bünd­nis­sen. Die Pro­duk­ti­on von Rüstungs­gü­tern ist Teil die­ser Rea­li­tät.« Die Kriegs­ge­win­ne bei­spiels­wei­se von Rhein­me­tall blei­ben auch heu­te ohne Kri­tik – denn es kom­men ja auch vie­le neue Arbeits­plät­ze dabei her­aus. Zum Kriegs­in­ter­es­se der Cou­ra­ge besteht also nur ein gra­du­el­ler Unterschied.

Bei Zwei­feln der Cou­ra­ge ange­sichts der Rekru­tie­rung ihrer Söh­ne sag­ten ihr die Sol­da­ten­wer­ber: »Wer vom Krieg leben will, muss ihm auch etwas geben.« Und so erfolgt auch kein Auf­schrei der Gewerk­schaf­ten ange­sichts der Plä­ne des SPD-Mini­sters Pisto­ri­us für die Kriegs­tüch­tig­keit der Bevöl­ke­rung und die Wie­der­ein­füh­rung der Wehr­pflicht. Es ist doch so: Deut­sche Waf­fen, deut­sches Geld mor­den mit in aller Welt.

Soll­te es zu einem Atom­krieg kom­men, wird die Gewerk­schafts­füh­rung nicht ein­mal mehr in der Lage sein, erneut zu erklä­ren: Der Krieg soll ver­flucht sein.