Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Atomare Teilhabe bricht Völkerrecht

Zur­zeit fin­den wie­der Pro­zes­se zum zivi­len Unge­hor­sam am Atom­waf­fen­stütz­punkt Büchel vor dem Amts­ge­richt Cochem und dem Land­ge­richt Koblenz statt. Hin­ter­grund ist ein erneu­tes Ein­drin­gen in den Atom­waf­fen­stütz­punkt Büchel am 8. Mai 2023 (Tag der Befrei­ung vom Krieg) durch eine sie­ben­köp­fi­ge Grup­pe. Sie spa­zier­ten damals gemein­sam durch das offe­ne Bau­stel­len­tor, eini­ge lie­ßen sich hin­ter dem Zaun auf der Zufahrts­stra­ße nie­der, zwei Akti­vi­sten gelang­ten bis zur Bau­stel­le, ver­teil­ten Infor­ma­ti­ons­blät­ter und dis­ku­tier­ten bis zu ihrer Ver­haf­tung mit den dort Beschäf­tig­ten. Gegen­wär­tig wird näm­lich der Atom­waf­fen­stütz­punkt Büchel in der Eifel zu einem »moder­nen« Hoch­si­cher­heits­be­reich aus­ge­baut, die Lan­de­bahn wegen der neu anzu­schaf­fen­den F 16 deut­lich ver­län­gert und die Bun­ker, in denen dem­nächst die neu­en moder­ne­ren Atom­waf­fen lagern wer­den, von Grund auf erneu­ert. Die deut­sche Regie­rung ist also aktiv an der gegen­wär­ti­gen ato­ma­ren Auf­rü­stung betei­ligt. Dafür wer­den Mil­li­ar­den Euro aus­ge­ge­ben, die für Lösun­gen drin­gen­der gesell­schaft­li­cher Pro­ble­me nun feh­len. Die Akti­vi­stIn­nen recht­fer­ti­gen ihr Vor­ge­hen mit dem fort­ge­setz­ten Völ­ker­rechts­bruch und der Grund­ge­setz­wid­rig­keit der ato­ma­ren Teil­ha­be Deutschlands.

Das Völ­ker­recht ver­bie­tet den Ein­satz und die Dro­hung mit dem Ein­satz die­ses gefähr­li­chen Mas­sen­tö­tungs­mit­tels ohne Wenn und Aber. Das wur­de schon 1996 vom Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof (IGH) in einem Rechts­gut­ach­ten klar bestä­tigt. Das Üben eines Atom­waf­fen­ein­sat­zes, wie es jeden Tag deut­sche Sol­da­ten prak­ti­zie­ren, stellt eine sol­che Dro­hung dar. Denn es wäre wider­sin­nig, die­sen Ein­satz mit hohen Kosten für Mate­ri­al, mensch­li­chen Res­sour­cen und zum Scha­den für Umwelt und Natur zu üben, ohne sie jemals ein­set­zen zu wollen.

Im Rah­men der ato­ma­ren Teil­ha­be ist geplant, dass deut­sche Sol­da­ten nach Frei­ga­be durch den ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten die­se Atom­waf­fen anneh­men und dar­über zu ver­fü­gen. Im NPT-Ver­trag von 1968 hat sich aller­dings Deutsch­land als erklär­ter Nicht-Atom­waf­fen­staat ver­pflich­tet Kern­waf­fen oder son­sti­ge Kern­spreng­kör­per oder die Ver­fü­gungs­ge­walt dar­über von nie­man­dem unmit­tel­bar oder mit­tel­bar anzu­neh­men, Kern­waf­fen oder son­sti­ge Kern­spreng­kör­per weder her­zu­stel­len noch sonst wie zu erwer­ben und kei­ne Unter­stüt­zung zur Her­stel­lung von Kern­waf­fen oder son­sti­gen Kern­spreng­kör­pern zu suchen oder anzu­neh­men. Im Eini­gungs­ver­trag wur­de die­se Ver­pflich­tung noch ein­mal ver­trag­lich bekräftigt.

Mit der ein­sei­ti­gen Zulas­sung, neue weit­aus gefähr­li­che­re und für die ande­re Sei­te weni­ger ein­schätz­ba­re Atom­waf­fen auf deut­schen Boden zu sta­tio­nie­ren, unter­läuft die Bun­des­re­gie­rung auch den Arti­kel 6 des NPT-Ver­tra­ges, in dem sich alle Atom­waf­fen­staa­ten und ihre Vasal­len ver­pflich­tet haben, in red­li­cher Absicht Ver­hand­lun­gen zu füh­ren über wirk­sa­me Maß­nah­men zur Been­di­gung des nuklea­ren Wett­rü­stens in naher Zukunft und zur nuklea­ren Abrü­stung sowie über einen Ver­trag zur all­ge­mei­nen und voll­stän­di­gen Abrü­stung unter stren­ger und wirk­sa­mer inter­na­tio­na­ler Kon­trol­le zu sor­gen.

Die Bun­des­re­gie­rung und das Mili­tär recht­fer­ti­gen ihre Atom­waf­fen­po­li­tik mit der Wirk­sam­keit und Sicher­heit einer ato­ma­ren Abschreckung. Es ist mitt­ler­wei­le pro­pa­gier­te unum­stöß­li­che »Staats­rä­son«, dass unse­re mili­tä­ri­sche Sicher­heit auf den ame­ri­ka­ni­schen ato­ma­ren Schutz­schirm beru­hen soll. Wir sei­en sogar im Rah­men des Nato-Ver­tra­ges gera­de­zu gezwun­gen, »unse­ren« Bei­trag zu die­sem »Schutz« zu lei­sten. Wie brü­chig die­se Recht­fer­ti­gung ist, zeigt sich schon dar­an, dass die ato­ma­re Abschreckung in recht sta­bi­len poli­ti­schen Ver­hält­nis­sen kaum funk­tio­niert und wir mehr­mals in Euro­pa am Abgrund eines Atom­waf­fen­ein­sat­zes mit all sei­nen kata­stro­pha­len huma­ni­tä­ren Fol­gen gestan­den haben. Heu­te, in immer unüber­sicht­li­chen Kri­sen- und zuneh­men­den Span­nungs­ver­hält­nis­sen, mit einem Stell­ver­tre­ter­krieg zwi­schen den wich­tig­sten Atom­mäch­ten in Euro­pa (z. B. Ukrai­ne­krieg), mit der fort­schrei­ten­den Tech­no­lo­gie wie Hyper­schall­waf­fen, gerin­ge­ren Vor­warn­zei­ten und einer zuneh­mend benutz­ten KI-Tech­no­lo­gie wird die­se Abschreckungs­ideo­lo­gie end­gül­tig zu einer Sicher­heits-Schi­mä­re. Eini­ge poli­ti­sche Kräf­te, wie neu­lich wie­der die SPD und Grü­nen-Spit­zen­po­li­ti­ker zu den Euro­pa­wah­len, for­dern des­halb sogar eine eige­ne EU-Atom­bom­be. Dass die­se Dis­kus­si­on gefähr­lich, bei ihrer Umset­zung den NPT-Ver­trag und das Völ­ker­recht end­gül­tig zunich­te­ma­chen und die prak­ti­sche Rea­li­sie­rung uns Mil­li­ar­den kosten wür­den, däm­mert auch lang­sam der bis­her zustim­men­den Parteibasis.

Völ­lig aus der Dis­kus­si­on aus­ge­blen­det wird der seit 3 Jah­ren bestehen­de UN-Atom­waf­fen­ver­bots­ver­trag, der als ernst­zu­neh­men­de Alter­na­ti­ve zur gegen­wär­ti­gen ato­ma­ren Teil­ha­be­po­li­tik gewer­tet und den Weg zu mehr Sicher­heit und einer »atom­waf­fen­frei­en Welt« ermög­li­chen wür­de. Nur der Bei­tritt zu die­sem Ver­trag, den schon 3 Nato-Län­der voll­zo­gen haben, ohne dass deren Nato-Mit­glied­schaft tan­giert wur­de, wür­de mit dem Frie­dens­ge­bot des Grund­ge­set­zes in Über­ein­stim­mung ste­hen. Denn neben dem Völ­ker­recht bricht die deut­sche Atom­waf­fen­po­li­tik mit ihrer ato­ma­ren Teil­ha­be den Arti­kel 25 GG, der besagt, dass die Ein­hal­tung des Völ­ker­rechts Pflicht eines jeden Bür­gers der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ist und jedem erlas­se­nen natio­na­len Gesetz einer Bun­des­re­gie­rung vor­an­ge­hen muss. Wei­te­re Arti­kel wie die Grund­rech­te auf Wür­de (Arti­kel 1 GG), das Leben (Arti­kel 2 GG) und die Gesund­heit (Arti­kel 6 GG), die für alle Men­schen gel­ten (auch für die des mili­tä­ri­schen Geg­ners) wer­den durch die gegen­wär­ti­ge Atom­waf­fen­auf­rü­stungs­po­li­tik berührt. Ganz zu schwei­gen, dass wie in der Kli­ma­po­li­tik das Nach­hal­tig­keits­prin­zip nach Arti­kel 20a des Grund­ge­set­zes gebro­chen wird. Was für die Kli­ma­po­li­tik gilt, lässt sich auch für die Atom­waf­fen­po­li­tik nachweisen.

Auf die gefähr­li­che, uns alle gegen­wär­tig bedro­hen­de Atom­waf­fen­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung beru­fen sich die Akti­vi­stIn­nen in ihren auf­ge­zwun­ge­nen Pro­zes­sen. Sie drän­gen in ihren Pro­zes­sen die sie ver­ur­tei­len­den Richter/​innen dazu, sich end­lich mit die­sen Völ­ker­rechts­nor­men aus­ein­an­der­zu­set­zen und zumin­dest die Ver­ant­wor­tung für eine Ein­ga­be an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu über­neh­men, statt immer wie­der in Fließ­band­ur­tei­len zuneh­mend höhe­re Geld­stra­fen zu ver­hän­gen. Bis­her haben über 100 Per­so­nen Pro­zes­se mit dem Slo­gan: Atom­waf­fen auf der Kla­ge­bank wegen ihres zivi­len Unge­hor­sams geführt und sind mit emp­find­li­chen Geld­stra­fen wegen ihres gewalt­frei­en Wider­stan­des belegt wor­den. Eini­ge set­zen ihren Pro­test auch als »Mahn­wa­che hin­ter Git­tern« fort. Zur­zeit sitzt die Ame­ri­ka­ne­rin aus Kali­for­ni­en Susan Cra­ne für 229 Tage, die Nie­der­län­de­rin Susan van der Hij­den für 110 Tage in der JVA Rohr­bach, Gerd Büntzly aus Her­ford wird ihnen für 90 Tage ins Gefäng­nis fol­gen. Zum Haft­an­tritt der bei­den Sus­ans fand vom 30.5.-4.6.24 ein Pil­ger­weg von Büchel zum Gefäng­nis Rohr­bach (bei Mainz) statt. Mahn­wa­chen, selbst­stän­di­ge Aktio­nen und auch indi­vi­du­el­le Brie­fe sind gute Unter­stüt­zungs­maß­nah­men und drücken die Soli­da­ri­tät mit zivi­lem Unge­hor­sam gegen das ato­ma­re Unrecht aus.

Nähe­re Infor­ma­tio­nen über Ernst-Lud­wig Iskeni­us: iskenius@ippnw.de.